piwik no script img

Die Badewanne von Lubmin

Atommüll-Zwischenlager bei Greifswald soll die Überreste der DDR-Meiler aufnehmen / Westliche AKW-Betreiber entdecken Lubmin für sich / Atomrechtliche Genehmigung fehlt  ■ Von Susanne Krispin

Berlin (taz) – Die badelustigen Ostseeurlauber aus der Hauptstadt kamen besonders gern ins mecklenburgische Lubmin. Hier am Greifswalder Bodden war das Wasser wärmer als woanders. Wer zu DDR-Zeiten hier ausspannte, den störte es wenig, daß die Lubminer Badewanne ihre angenehmen Temperaturen dem nahe gelegenen Atomkraftwerk zu verdanken hatte.

Seit das AKW abgeschaltet ist, werden zwar die Badegäste weniger, doch hat die bundesdeutsche Atomlobby das versteckte Örtchen für sich entdeckt. Sie versucht hier den Fisch an Land zu ziehen, nach dem sie schon lange vergebens angelt: ein Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll.

Ein Zaun ist schon gezogen, Zufahrtswege sind aufgeschüttet. Mit den acht großen Hallen wollen die Bauherren Ende September beginnen. Die baurechtliche Genehmigung hat der Großkreis Ostvorpommern bereits erteilt. Die Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) ist Betreiberin des geplanten Zwischenlagers. Sie handelt im Auftrag der Energiewerke Nord, zu denen die beiden eingemotteten AKWs der DDR, Greifswald und Rheinsberg, gehören. In Lubmin sollen die beiden Atomruinen entsorgt werden, vor allem die 5.250 abgebrannten Brennstäbe.

Aus La Hague nach Lubmin?

Was den Bauherren bisher fehlt, ist die atomrechtliche Genehmigung. Die Anträge dafür sind von der GNS zwar im April 1993 eingebracht worden, doch das Verfahren muß mit öffentlicher Beteiligung geführt werden. Das trotzdem jetzt schon mit dem Bau begonnen werden soll, erbost die Bürgerinitiative Kernenergie Greifswald. Sie will verhindern, daß die Atomwirtschaft sich hier von ihren Problemen freischaufelt. Ende 1994 kommen aus dem französischen La Hague die ersten zwölf Kokillen mit Atommüll aus der Wiederaufarbeitung nach Deutschland zurück.

Die Bürger von Greifswald fürchten nun, daß ihnen der Atommüll aus dem Westen untergeschoben wird. Denn eine juristisch einklagbare Zusicherung, daß hier nur die zerlegten Meiler verbuddelt werden, gibt es nicht. Im Schweriner Umweltministerium hat man zwar generell versichert, daß nach Lubmin kein westlicher Atommüll kommen soll, sagt Monika Gehm, die für den Großkreis Ostvorpommern das Projekt juristisch betreut. Zuständig ist Schwerin nur für den schwach- und mittelradioaktiven Müll, sagt sie, und selbst der könne im Ausnahmefalle nach Lubmin verfrachtet werden. Für den hochradioaktiven Müll, sprich: die Brennelemente, sei man im Bonner Umweltministerium zuständig. Doch von dort gibt es keine Zusicherung.

Selbst die Geschäftsführung der Energiewerke Nord (EWN), derzeit in Treuhand-Besitz, macht keinen Hehl daraus, wie vage dieser Knackpunkt verhandelt wurde. „Die Nutzung des Zwischenlagers soll sich auf Abfälle aus den Anlagen der EWN beschränken“, heißt es da. Doch wem die EWN am Jahresende gehört, wenn die Treuhand aufgelöst wird, steht in den Sternen.

Westliche Stromversorger verhandeln wieder

Schon 1990 hatten sich PreussenElektra, das RWE und die Veag für die Energiewerke Nord interessiert, vor allem aber für das in Aussicht stehende Zwischenlager. Auch jetzt laufen wieder Verhandlungen, sagt die EWN-Geschäftsführung. Noch zögern die Stromversorger, aus guten Gründen. Bislang zahlt die Treuhand, also der Steuerzahler, für den Aufbau des atomaren Zwischenlagers. Die veranschlagten 200 Millionen Mark sind da vergleichsweise wenig. Für den Rückbau der alten DDR-Meiler muß die Treuhand mit elf Milliarden aufkommen. Bauherr des Zwischenlagers und damit Auftragnehmer der Treuhand ist die GNS, in der alle Betreiber der bundesdeutschen AKWs vereint sind. Auch die Abrißkosten fließen in dieselben Taschen. Denn hinter den Abrißfirmen steht ein Konsortium aus den großen Stromkonzernen.

Der Abriß der Altmeiler wird 25 Jahre dauern, schätzen die Experten. Das Zwischenlager in Lubmin wäre im Juni 1995 fertig. Für die Brennelemente aus den DDR- AKWs seien 70 Castorbehälter nötig, doch 200 würden in das Zwischenlager passen, sagt Detlef Rieck, Gutachter der Bürgerinitiative Kernenergie Greifswald. Die Überkapazität haben sich die Bauherren mit einem simplen Trick erschwindelt, schimpft er. Als die Kapazität berechnet wurde, legte man größere Behälter zugrunde als die, die jetzt genutzt werden sollen. So richtig weiß wohl niemand, wieviel radioaktiver Müll beim Abriß der AKWs anfallen wird. Der Rückbau der Meiler kann sich schnell zur Jahrhundertaufgabe auswachsen, allein deswegen, weil es kaum Erfahrungen damit gibt. „Das Zwischenlager wird unterdessen mit Atommüll von woanders aufgefüllt“, fürchtet Rieck. Damit es erst gar nicht zum Bau kommt, wird am kommenden Freitag mit Unterstützung aus Gorleben protestiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen