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Verdiente Genossen im geheimen Dienst

Die Ernennung eines Ex-Spions zum Leiter des polnischen Geheimdienstes war kein Einzelfall / Die alten Kader kehren zurück, doch noch funktioniert die Zusammenarbeit mit dem CIA  ■ Von Klaus Bachmann

Am 12. August, nur wenige Tage vor dem offiziellen Besuch des polnischen Premierministers Waldemar Pawlak in der Ukraine, verhafteten die ukrainischen Sicherheitsbehörden einen Angestellten der polnischen Außenhandelszentrale Cenzin auf dem Flughafen von Borispil bei Kiew. Vorwurf: Versuchter Waffenhandel mit Kroatien. Cenzin ist ein staatliches Unternehmen, das sich tatsächlich nur mit Waffenhandel beschäftigt und über seinen Vermittler in Kiew eine Lieferung von 200.000 Gewehrpatronen nach Kenia vorbereitete. Weil dabei auch eine Zwischenlandung in Kroatien vorgesehen war, griff der ukrainische Geheimdienst ein.

Inoffiziell wurde allerdings verbreitet, es handle sich um einen gezielten Affront gegen Pawlak und um die ukrainische Antwort auf einen anderen spektakulären polnisch-ukrainischen Spionagefall: Zwei Monate zuvor war ein ukrainischer Geheimdienstler in Polen unter fadenscheinigen Vorwänden zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Premier Pawlak fuhr trotzdem in die Ukraine, der Fall werde gütlich geregelt, verlautete aus der polnischen Delegation. Schließlich gehe es ja nicht an, daß die Geheimdienste die offizielle Außenpolitik konterkarierten. Genau das aber tun sie, und deshalb sitzt der polnische Waffenhändler bis heute in Untersuchungshaft.

Polen hat inzwischen mit allen seinen Nachbarn ausgezeichnete Beziehungen, größere Konflikte gibt es nicht. Grenznahe Zusammenarbeit, Handel, ja selbst die Kooperation der Polizeibehörden funktionieren reibungslos. Nur Polens Geheimdiensten trauen die Nachbarn nicht so recht über den Weg. Anders als in der DDR und in Tschechien wurden diese nach der Wende kaum politisch überprüft. Nur der zivile Geheimdienst UOP erhielt vor vier Jahren einige Abteilungsleiter aus den Reihen der antikommunistischen Opposition, zum Leiter der Organisation wurde ein Solidarność-Aktivist ernannt.

Doch auch diese „demokratischen“ Geheimdienstler befinden sich inzwischen auf dem Rückzug. Nach der unfreiwilligen Kündigung Piotr Nemczyks, ehemaliges Mitglied der pazifistischen Gruppe „Frieden und Freiheit“, sind vier von fünf Abteilungsleiterposten bereits wieder fest in den Händen „verdienter Genossen“.

Die Rückkehr der Kommunisten überrascht um so mehr, da mit Andrzej Milczanowski ein anderer ehemaliger Solidarność-Aktivist und Bürgerrechtler Innenminister ist. Er wurde vor vier Jahren von Polens erstem nichtkommunistischen Premier Tadeusz Mazowiecki ins Amt gehievt. Da die erste postkommunistische Regierung Polens nur zu gut wußte, daß sie nicht alle Mitarbeiter der Geheimdienste austauschen kann, versuchte sie diese „einzubinden“. Kritiker jedoch behaupten, in Wirklichkeit seien Präsident Lech Walesa und Milczanowski von ihren Schützlingen schon lange selbst eingebunden worden.

Zuletzt unterzeichnete Milczanowski die Ernennung des früheren kommunistischen Meisterspions Marian Zacharski zum Chef von UOP. Eine problematische Entscheidung: Zwar war bereits dessen Vorgänger ein in kommunistischen Diensten stehender Auslandsspion gewesen, nur lag dessen Bekanntheitsgrad bei weitem unter dem Zacharskis. Zacharski hatte in den siebziger Jahren die USA unter anderem um die Patriot-Pläne erleichtert.

Die USA, die ihn bis heute auf der Fahndungsliste haben, behaupten, Zacharski habe zugleich für den KGB gearbeitet. Das alles ist ungefähr so, als würde Innenminister Kanther plötzlich Günter Guillaume als BND-Chef nominieren.

Auf die Ernennung folgte ein Sturm der Entrüstung, das State Department protestierte schriftlich in Warschau, amerikanische Politiker ließen durchblicken, solche Ernennungen seien Polens Bestrebungen, in die Nato zu kommen, nicht unbedingt förderlich. Schließlich forderte Walesa seinen Innenminister auf, die Ernennung rückgängig zu machen, und Zacharski trat zurück. Für Polens Sozialdemokraten, die Zacharski forciert hatten, ein weiterer Beweis, wie Uncle Sam die polnische Souveränität beschneidet.

Tatsächlich haben die USA ein heftiges Interesse an Polens Geheimdiensten. Die waren ihnen nämlich bereits während des Golfkrieges sehr zu Diensten und lieferten dem CIA detaillierte Pläne des Bagdader Regierungsviertels. Möglich war dies, da Polens Exportbaufirmen im Irak zahlreiche Regierungsbauten, darunter auch Bunker und unterirdische Geheimgänge, errichtet hatten. Ausgestattet mit falschen polnischen Pässen verließen CIA-Agenten den Irak zusammen mit den polnischen Bautrupps kurz bevor der Golfkrieg ausbrach. Zum Dank erschien Ende 1990 CIA-Chef William Webster in Warschau und verteilte amerikanische Orden an seine polnischen Kollegen. Auch der amerikanische Schuldenerlaß für Polen soll damit zusammenhängen. Inzwischen hat der CIA seine Horchposten zum Abhören des postsowjetischen Funkverkehrs von der westdeutschen an die polnische Ostgrenze verlegt. Seither klappt die Zusammenarbeit zwischen UOP und CIA besser als mit jedem anderen Dienst – erst die Ernennung Zacharskis stellte das in Frage.

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