Schwerarbeit, Schläge und schlechtes Essen

■ Ein ehemaliger polnischer Häftling über den Alltag im KZ-Außenlager Alt-Garge

Die Nummer 47123 bleibt Stanislaw Majewicz aus Lodz für immer im Gedächtnis. Im Hamburger Konzentrationslager Neuengamme war die Zahlenfolge seine einzige Identität - nach 90892 im KZ Sachsenhausen. Dorthin hatten die Nazis den damals 25jährigen Polen mit anderen Teilnehmern des Warschauer Aufstandes verschlepp, bevor er, im Güterwagon verladen, am 24. August 1944 in Alt-Garge eintraf. Zusammen mit rund 500 anderen Aufständischen aus Polen.

„Der Lageralltag“, so erinnert sich der ehemalige Insasse, „bestand aus Schwerarbeit bei schlechter Ernährung, aus Schlägen und Geschrei.“ Eingesetzt wurde er erst beim Ausbau der Umzäunungen, bald aber überall. Sein Lohn waren 50 Pfennig für drei Arbeitswochen, zu Essen gab es meist nur Brot mit Margarine, Kohlrabi-Suppe und an Feiertagen Pellkartoffeln. Auch körperliche Strafen seien an der Tagesordnung gewesen. 25 Schläge mit Stuhlbeinen habe er erhalten, weil er seinen Verwandten eine Nachricht zukommen lassen wollte. Als er Anfang 1945 schwer krank wurde, kam er in den „Schonblock“ nach Neuengamme.

Der Veteran, der wegen Angstdepressionen und Rückenschäden als Kriegsinvalide anerkannt ist, hat mit dem Deutschland von heute aber keine besonderen Probleme mehr. Der Pole, dessen Tochter mit einem Deutschen verheiratet ist, hatte schon bei seinem ersten Besuch in der Bundesrepublik vor 18 Jahren „eine komplette Wandlung der Mentalität“ verspürt. Selbst Neuengamme schrecke ihn nicht mehr - „zuviel hat sich verändert“. Und wenn ihm hierzulande Neonazis begegnen? „Auch bei uns in Polen gibt es sie - kahlgeschoren und im Kopf ein Durcheinander.“

Eine einmalige Abfindung hat Majewicz in diesem Jahr aus dem Fonds der Bundesregierung erhalten, rund 600 Mark. Von dem Antrag auf Entschädigung, den neun polnische Alt-Garge-Überlebende kürzlich an die HEW richteten, erhofft sich Majewicz „lediglich eine kleine Hilfe, eine Geste des guten Willens“.

Schon früher einmal hatte er um Entschädigung wegen Alt-Garge gebeten, die von den HEW mit den Sätzen beantwortet wurde: „Gewiß sind Sie mit uns der Meinung, daß Sie zu keiner Zeit bei unserem Unternehmen beschäftigt waren und auch kein Mitarbeiter des Unternehmens Ihnen Schaden zugefügt hat.“

Das HEW–Schreiben empfindet der Pole heute noch als „eine taktlose Art, sich aus der Verantwortung herauszureden“. Denn vieles, „was auf dem Alt-Garge-Gelände steht, wurde durch Sklavendienste errichtet. Wie konnte ich auch ein Angestellter sein“, fügt er bitter hinzu, „wenn ich doch nur eine Nummer war“. Adam Olschewski