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Metzger mit Note Eins

Stefan Raab ist der Star beim Popkanal Viva – Mit ihm sprach  ■ Thomas Kallweit

Mit gnadenloser Frechheit schoß sich der 27jährige Kölner Stefan Raab als Entertainer des jungen Musiksenders Viva in der Beliebtheitsskala nach oben. Über 120 Folgen seiner Personalityshow „Vivasion“ liefen. Zu seinen Gästen zählten Frank Zander, Dirk Bach, Heino, Dolly Buster und Ulla Kock am Brink. Sogar Hans Meiser kam – freiwillig und ohne Gage.

taz: Hast du etwas Wichtiges zu sagen?

Stefan Raab: Zwei wesentliche Zitate. Erstens: Kommt Zeit, kommt Raab. Zweitens: Guter Raab ist teuer.

Wie teuer bist du?

Ich hab' beim Sender angefangen für drei Mahlzeiten am Tag. Dann gab's noch zwei Desserts...

Was hast du davor gemacht?

Zuerst eine Metzgerlehre als gute Schule fürs Showgeschäft. Das hab' ich parallel zu einem Jura- Studium gemacht, was vier Semester dauerte. Davor den Wehrdienst – ach ja, ich bin nämlich Zivildienstverweigerer. Den Metzger habe ich übrigens mit Note 1 bestanden. Danach beschloß ich, Würstchen Würstchen sein zu lassen und Paragraphen Paragraphen – jetzt werd' ich Musikproduzent! Dann kam das eigene Tonstudio, die Arbeit als Komponist, Arrangeur und Musikverleger. Da war ich auch ziemlich erfolgreich und produzierte ganz viele Jingles, zum Beispiel für Karstadt, „Frau Aktuell“, Burger King und und und.

Bei den Firmen habe ich mich nie als Musikproduzent vorgestellt, sondern zum Beispiel als Chef-Creative Director beworben ohne Referenzen und immer so Späße beigelegt wie ein Glas Honig und 'n Pinsel und denen dann gesagt, bevor ich ihnen jetzt Honig ummen' Bart schmiere, machen sie's doch selber. Ich hab' natürlich immer brutal die höchsten Posten angepeilt in meiner unendlichen Dreistigkeit. Dann hab' ich gesagt, ich will gar nicht Chef-Creative Director werden, ich bin Musikproduzent und würde gerne für Sie arbeiten. Dann fiel bei denen erst mal die Kinnlade weg, „das ist aber unverschämt... aber ich glaube, wir können zusammen arbeiten“.

So bist du auch bei Viva gelandet?

Ich hab' ein kleines handschriftliches Schreiben aufgesetzt, in dem stand: „Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mich gerade soeben entschlossen, Chefmoderator bei Viva zu werden. Bevor ich mich jetzt selbst beweihräuchere, sollten Sie es vorziehen, mich persönlich bei Kaffee und Gebäck kennenzulernen.“ Ich hatte keinen Lebenslauf, kein

Foto, gar nichts beigelegt. Die haben mich aber daraufhin eingeladen. Beim Casting saßen die anderen Bewerber rum wie so 'ne Reihe Kieslaster, überall tropfte es unten raus. Ich bin dann da reingegangen und hab' auf den Teleprompter geguckt und durch die Sätze da drauf kam ich mir schon reichlich bevormundet vor. Und dann hab' ich so ziemlich nach jedem Satz meinen eigenen reingehangen, so daß ich danach gedacht habe, Gott sei Dank, den Job krisse' erstmal nich'. Nach drei Tagen meldete sich Viva dann: „Wir hatten ja an so was wie 'ne Personality-Show eigentlich gar nicht gedacht. Aber denk' dir was aus, dann machen wir 'ne Pilotsendung.“ Und dann hab' ich kurz nachgedacht, aber da gibt's ja nicht viel nachzudenken...

Ach ja, wirklich?

...heutzutage ist ja alles Konzept. Ich hab' denen gesagt, ich würd' da gern durch 'ne Papierwand kommen, dann hätt' ich da gern mein Keyboard stehen, dann hätt' ich gerne Gäste, mit denen ich jedes noch so unwichtige Thema derart bis ins Detail diskutiere, daß nach der Sendung dieser „Jetzt bin ich genauso klug wie vorher“-Effekt eintritt. Und daß man 'n bißchen mit dem Publikum spielt und daß man halt auf der Straße seine Späße mit den Leuten treibt und das alles ziemlich spontan macht. Und daß ich gelegentlich meine kleineren musikalischen Talente einsetze und mit ungewöhnlichen Instrumenten gut arrangierte Popsongs zersetze... Schnell, sportlich, ungeplant. Ich komm' durch die Wand, hau' mein Ding kaputt, und dann weiß ich wirklich nicht, was ich sage. Ich hab' da soviel Krempel, da fällt mir immer was ein, oder ich les' Briefe vor. Das Kamerateam macht das Spielchen mittlerweile mit. Da wird alles aufgezeichnet, nichts geschnitten, und wenn was in die Hose geht, dann geht's halt in die Hose, so ist das im Leben.

Und wenn sich dein Anarcho- Konzept mal ausgereizt hat?

In meiner Sendung kommt immer was Neues: Etwa als wir diese WM-Kiste eingeschoben haben (Anm.: Wo Stefan Raab Fußballreporter für Viva sein durfte und unter anderem Kaiser Franzens Füße küßte). Demnächst fahren wir nach Mallorca, um da die Menschen und die Hintergründe so ein bißchen zu beleuchten. Ich will „Vivasion“ ja auch nicht zehn Jahre machen, irgendwann ist man aus dem Alter raus.

Du haust Gäste mit dem Gummihammer, verstimmst Musikern die Gitarrensaiten beim Spiel, und dann gibt es da noch den Zuschauer der Woche, der die ganze Sendung über knien muß und nur reden darf, wenn du Lust hast. Bist du nicht ein Superarschloch?

Nee, ganz erstaunlich. Mittlerweile kommen ungeheuer viele Briefe. „Am Anfang fanden wir Dich total scheiße, jetzt verpassen wir keine Sendung mehr.“ Die Leute müssen den Humor erst mal gelernt haben. Und die den Zuschauer der Woche machen, die wollen das. Das sind nicht Doofe, das sind auch Abiturienten [Seitwann befreit das Abitur denn von Doofsein? d. sin], die den Spaß mitmachen. Als wir am Anfang das Loch in die Deko gebohrt haben, wo der Zuschauer der Woche dann den Kopf durchstecken muß, da dachten wir, es kommt kein Schwein. Aber: Die Leute tun alles, um Zuschauer der Woche zu werden. Viel mehr Leute, als man eigentlich glaubt, sind dazu bereit, sich selber lächerlich zu machen. Das mach' ich mit mir ja auch. Ich mach' haufenweise schlechte Witze, die ich für die besten halte.

Also haben deine Witze eigentlich keine Moral?

Doch. Zum Beispiel: Keine macht den Drogen. Ich habe mal eine Umfrage zu Schaschlik gemacht. „Jetzt ist es erlaubt, 30 Gramm Schaschlik mit sich herumzutragen. Halten Sie Schaschlik für eine Einstiegsdroge? Da greift man ja bald zu Cevapcici und anderen härteren Drogen.“ Und was heißt denn hier überhaupt Moral? Dieter Bohlen, so ich ihn bei mir während der Sendung kennengelernt habe, find' ich 'nen echt netten Menschen – ist mir doch egal, ob der jetzt Scheißmusik macht, ich will doch wissen, wie der als Mensch ist.

Hast du Vorbilder?

Vorbildfunktion haben für mich die Leute, die die Loslösung vom rein intellektuellen Humor à la politisches Kabarett geschafft haben. Jahrelang gab es im Fernsehen nur das oder auf der anderen Seite Heinz Schenk und die Superlachparade. Hape Kerkeling war da ein Pionier für diesen sogenannten Anarcho-Humor. Das Wort Nonsens trifft das, was wir machen, ganz gut. Didi Hallervorden hat mit „Nonstop Nonsens“ als erster den Begriff in Beschlag genommen. Auch hinter Helge Schneider steckt 'ne ungeheure Intelligenz. Foto: Viva

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