Dem Krieg entflohen, vom Mann erwürgt

■ In Gatow wurde gestern eine von ihrem Ehemann getötete Bosnierin beigesetzt Mitarbeiterinnen von Frauenprojekten demonstrierten gegen Männergewalt

Unter lautem Wehklagen ihrer Schwestern und stiller Anteilnahme von Berliner Frauengruppen wurde gestern die 21jährige Bosnierin und Angehörige der Roma Emira Beganovic zu Grabe getragen. Die Mutter von zwei kleinen Kindern war Mitte August in einem Ausländerwohnheim in Reinickendorf von ihrem 38jährigen Ehemann erwürgt worden. Der Täter sitzt wegen Totschlags in Untersuchungshaft.

Auf dem fernab von der Innenstadt gelegenen Landschaftsfriedhof Gatow wurde die Tote gestern nach muslimischer Tradition beigesetzt. Während der Leichnam in einem eigens dafür vorbehaltenen Raum der letzten Waschung unterzogen wurde, gedachten draußen vor den Toren 20 bis 30 Frauen von Berliner Antigewaltgruppen schweigend der Toten. „Krieg, Mißhandlung und Mord“, war auf einem schwarzumrandeten Transparent zu lesen. Auf einem anderen stand: „Mißhandler und Ausländerpolitik bilden eine mörderische Allianz.“

Auf Nachfrage der taz zeigte sich, daß die Demonstrantinnen von Emira Beganovic kaum etwas wußten. Aber das wenige, was sie über die Rom zusammengetragen und in einer Todesanzeige veröffentlicht hatten, war ihnen Grund genug für die Kundgebung. Erst, so hieß es, sei Emira vor Krieg und Gewalt aus Ex-Jugoslawien geflohen. Dann sei sie vor den Gewalttätigkeiten ihres Ehemannes in ein Berliner Frauenhaus geflüchtet, der sie geprügelt, vergewaltigt und mit dem Tod bedroht hatte und der ihre beiden Kinder entführen wollte. Dort sei sie aber nur eine Nacht geblieben und dann ins Ausländerwohnheim zurückgegangen, um die drohende Abschiebung von sich und den Kindern abzuwenden.

Sechs Wochen später war die Bosnierin tot. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses hatten davon zufällig aus der Zeitung erfahren. Die Transparente vor dem Friedhof sollten gestern aufzeigen, daß das Schicksal der Rom „kein Einzelfall“ ist. „Frauen aller Nationen sind permanent der Gewalt ausgesetzt, die immer brutaler wird“, sagte eine der Demonstrantinnen. Aber Flüchtlingsfrauen hätten aufgrund ihres rechtlosen Status doppelt darunter zu leiden.

Eine Mitarbeiterin des Ausländerwohnheims in Reinickendorf teilte gestern auf Nachfrage mit, Emira Beganovic habe eine Duldung gehabt und sei nicht von der Abschiebung bedroht gewesen. Über Mißhandlungen durch ihren Ehemann sei in dem Heim nichts bekannt, „was aber nicht heißen soll, daß es keine gab“. Vielleicht sei davon nur nichts an die Öffentlichkeit gedrungen.

Der nach dem Tatmotiv des angeblich geständigen Täters befragte Leiter der ermittelnden Mordkommission Wolfgang Klaffer sprach von „einer Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten“. Daß Emira Beganovic zuvor schon mißhandelt worden war, wollte Klaffer nicht auschließen, „das ist nicht selten in diesen Kreisen“, aber genaues wußte er nicht. Vor dem Gebäude, in dem die letzte Waschung erfolgte, wartete eine kleine Gruppe Angehöriger und Bekannter, um die Tote ein letztes Mal zu sehen. Die Frauen trugen nach Rom-Art lange, bunt glitzernde Röcke und Schmuck in den hochgebundenen schwarzen Haaren. Der Anblick der Leiche raubte den beiden Schwestern die letzte Fassung. Die ältere sackte vor der Tür auf den Boden und wand sich zuckend unter Krämpfen, die jüngere brach schluchzend in den Armen ihrer Tochter zusammen. Auch die anderen Rom- Frauen ließen ihren Emotionen freien Lauf, weinten, schrien und rauften sich die Haare. Als der Sarg auf dem Friefhof von den Männern unter die Erde gebracht worden war, hockten sich alle auf den Boden und beteten zusammen mit dem Hodcha. Eine etwas abseits stehende Türkin, die zu den Frauen der Antigewaltprojekte gehörte, kämpfte gegen die Tränen an. „Erst flieht sie vor der Gewalt, und dann kommt sie so um.“ Plutonia Plarre