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Stasi-Akten vorenthalten

■ Kreuzberger SPD-Kreisvorsitzender im Verdacht der Stasi-Mitarbeit / Er bestreitet, wurde aber suspendiert

Mit ungläubigem Staunen haben Mitglieder der SPD gestern auf die Vorwürfe gegen den Kreuzberger SPD-Kreisvorsitzenden Horst Detert reagiert. Der Leiter der Straffälligenhilfe und Sozialen Dienste war am Mittwoch von der Senatsverwaltung für Justiz wegen des Verdachts, für die Stasi gearbeitet zu haben, vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Die Justizpressestelle hatte als Begründung sehr allgemein mitgeteilt, die Gauck-Behörde habe „umfangreiches Belastungsmaterial“ zur Verfügung gestellt. Über seinen Rechtsanwalt Matthias Zieger teilte Detert gestern mit, er bestreite den Vorwurf „pauschal“.

Der 52jährige Detert ist aufgrund seiner langjährigen Arbeit in den Haftanstalten ein ausgewiesener Kenner des Strafvollzugs und Kritiker der geschlossenen Anstalten. Er setzt sich in diesem Bereich nach wie vor sehr engagiert für Reformen ein und war 1989 maßgeblich an den rot-grünen Koalitionsverhandlungen im Justizwesen beteiligt. Bevor er Chef der Sozialen Dienste wurde, hatte er den Freigängerknast Hakenfelde geleitet.

In der SPD ist Detert seit 1969 Mitglied und gehört dem linken Flügel an. Einzelheiten über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe waren gestern nicht in Erfahrung zu bringen. Deterts Anwalt Zieger verwies auf Nachfrage darauf, weder er noch sein Mandant würden die erhobenen Behauptungen kennen, weil man noch keine Einsicht in die Gauck-Akten bekommen habe. Auf die Frage nach dem Zeitraum für die angebliche Stasi- Mitarbeit erklärte der Anwalt, „dies soll nicht kurz vor 1990 gewesen sein“. Von einer IM-Verpflichtungserklärung in den Akten sei ihm nichts bekannt. Zieger hat jetzt Akteneinsicht beantragt und Widerspruch gegen die Dienstenthebung eingelegt.

Grundlage für Deterts Überprüfung ist der Senatsbeschluß von 1992, alle leitenden Mitarbeiter der Verwaltung einer „Gauckung“ zu unterziehen. Die Akten mit dem „umfangreichen Belastungsmaterial“ waren nach Angaben von Justizsprecherin Uta Fölster am Dienstag in der Justizverwaltung eingetroffen. Am Mittwoch sei der betreffende Mitarbeiter „persönlich angehört“ und danach wegen des Verdachts einer Amtspflichtverletzung vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Die Staatsanwaltschaft werde in den kommenden Tagen prüfen, ob gegen Detert ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit einzuleiten sei.

Der SPD-Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung erklärte gestern, Detert lasse ab sofort alle seine Funktionen in der Partei bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen. Um sich selbst ein Bild zu machen, will Hartung für die SPD Akteneinsicht beantragen. Die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Monika Buttgereit warnte vor einem vorschnellen Urteil. Sie werde zunehmend skeptischer gegenüber den Gauck-Akten: „Was dadurch nicht schon alles in die Welt gesetzt worden ist!“ Plutonia Plarre

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