piwik no script img

Fruchtstückchen

■ Neu im CD-Regal: „The HB/Project“

Anything goes im postmodernen Popbetrieb, bzw. es ist alles eh wurscht, und für Tekkno gilt das allemal. Über die mechanischen Marschryhtmen dieser sog. Tanz-„Bewegung“ läßt sich eben bequem alles mögliche an Klangschnipseln drüberlegen. Und so beliebig, so uniform und dämlich einherstampfend, klingt ein Großteil der Produktionen dann auch. Eine Oase inmitten dieser Ödnis tut sich nun ausgerechnet in Bremen auf: Die Compilation „The HB/Project“, das erste Produkt des neuen Labels „Juice“, erquickt die Bewegten mit frischen, teils hübsch verdrehten Soundideen – und einem szene-unüblichen Maß an Witz und Selbstironie.

Unter der Rubrik „Zukunftsperspektive“ hat z.B. der szenenotorische Oliver Wrigley bzw. Huntemann im CD-Info folgendes mitzuteilen: „Friede, Freude, Eierkuchen“. Damit ist die ganze verquaste Wichtigtuerei der Tekknoszene (von wegen „open your mind“!) auf nette Weise persifliert. Und in diesem Tonfall spielt auch die Musik.

Statt fette, gewichtig brummende Sounds übereinanderzustapeln, setzen viele der zehn Bremer Heimproduzenten die Klänge lieber gegeneinander, auf daß sich das Trommelfell sträube.

Über die knackigen, klaren Tecknobeats legen Scherzkekse wie Huntemann oder Ralf Pauli z.B. gern möglichst olle und verrottete Sounds. Das Knacksen und Schrabbeln, das Atmen und Keuchen der alten Analog-Synthis, Geräte aus der Experimental- bzw. Steinzeit der elektronischen Klangerzeugung, gilt ihnen als „authentisch“ (Pauli), bzw. eben witzig und schräg. So pfeifen die Synthisounds ihre lieblichen, kleinen Melodien, während drunten die dicke Drummachine am Wüten ist.

Mal verzichtet Pauli sogar ganz auf das gewohnte Rhythmusgerüst. In „Sinus“ gibt allein das Ticken einer Uhr den Tanzbeat vor - allerdings ziemlich nervös überdreht. Es geht natürlich leider auch anders. „Software“ lautet der ebenso nichtssagende wie treffliche Name für die Produktionen des Bremer Altelektronikers Michael Weisser. Und hier wabert's immer noch wahnsinnig bedeutungsschwanger; hier darf sich der ganze New-Age-Schwulst nochmal richtig blähen – diesmal halt mit ein paar Tekkno-Rhythmen unterlegt. Da kann man auch getrost seinen Topfpflanzen zuhören und das Geld sparen. Aber so belanglose „Software“ ist hier die Ausnahme: „The HB/Projekt“ läßt hoffen, daß Tekkno nicht alsbald in 08/15-Klangmustern leerläuft. Thomas Wolff

CD-Release-Party: Samstag, 3.9., 21 Uhr, im XL-Club

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen