■ Radiodays
: Montag

Jede Zeit, heißt es, hat ihre typischen Neurosen. Und die schlagen sich besonders gern in Herzensdingen nieder. Das fand auch Claudio Magris. Mit kritisch-kreativem Autorenauge erspähte er das Thema „Liebe im Schatten des Anrufbeantworters“ und stellte es in seinem ersten Hörspiel so ergreifend dar, daß er 1993 gleich den Hörspielpreis „Premio Candoni – Arta Terme“ abstaubte. WDR und ORF, nicht faul, ließen die Übersetzung des Erfolgsstücks von Heinz von Cramer inszenieren: Stimmen und Schatten. Geschickt nach dem „Hörraum im Hörraum“-Prinzip gebaut, führt uns das Spiel direkt ins ungewöhnliche Triebleben eines Mannes, der das Telefon liebt. Aber nicht wie Sie jetzt denken – er belästigt seine Damen nicht mit heavy breathing calls und bezahlt auch keine müde Lira für schlappe Sexatmo. Vielmehr steht er auf Stimmkonserven: Anrufbeantworter sind seine Leidenschaft. Ängstlich darauf bedacht, Originalfrauen aus dem Weg zu gehen, berauscht er sich an ihren Stimmen, erträumt die Lebensläufe seiner Sirenen. Und zwar mit soviel passionierter Energie, daß eines schönen Tages die leblosen Stimmen sich erheben, um ihren Beschwörer zu verfolgen ...(WDR 5, 16.00 Uhr).