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Im Bagger auf den Marktplatz

■ IG Bau-Steine-Erden demonstrierte auch in Bremen / Im Bauarbieter-Outfit gegen die Streichung des Schlechtwettergeldes

„Wer hat denn die schönen Plenarsäle gebaut, in denen die Politiker ihre Entscheidungen treffen? Die haben wir doch gebaut!“ „Genau“, rief es Wolfgang Jägers, Geschäftsführer der Industreigewerkschaft Bau-Steine-Erden (IG-BSE) aus dem Publikum entgegen. Etwa 600 BauarbieterInnen aus Bremen und Umzu demonstrierten gestern ab fünf vor zwölf gegen die Streichung des Schlechtwettergeldes mit einer Menschen- und Autokarawane aus Baufahrzeugen samt Bagger. Seit Dienstag ist in Bonn beschlossen: Ab dem 01.01.96 wird das Schlechtwettergeld gestrichen.

„Die Demo in Bremen ist die bundesweit Größte seit der Entscheidung“, sagt stolz Gerhard Leuschner, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG-BSE. Seit 30 Jahren gab es nun das Schlechtwettergeld, und das läßt man sich nicht so leicht wieder nehmen, meinte er. Schon seit dem Frühjahr 1993 hat die Regierung versucht das Schlechtwettergeld wegzukürzen. Anfangs ist es der SPD noch gelungen, das abzuwehren. Und nun setzen die GewerkschaftlerInnen erneut auf die SPD: „Scharping hat versprochen, daß er innerhalb der ersten 100 Tage das Schlechtwettergeld wieder einführt“, erzählt Wolfgang Jägers.

Das Transparent: „Helmut Kohl lebe wohl, Wahltag ist Zahltag“ und die Plaktat-Aufschrift: „Rote Karte für Kohl“ zeigten deutlich, welche Partei nicht angesagt ist. Die Bremer SPD-PolitikerInnen waren auf der Kundgebung der IG-BSE stark vertreten: die Europaabgeordnete Karin Jöns, Bundestagskandidat Konrad Kunick sowie Bildungssenator Henning Scherf. Vor allem letzterer habe ein „Herz für uns“, sagte Jägers.

Die Streichung des Schlechtwettergeldes würde immerhin etwa 10.000 BauarbeiterInnen im Land Bremen treffen. „Davon sind jedoch auch alle Betroffen, die im weitesten Sinne etwas mit den Baustellen zu tun haben. Dann brauchen auch keine TischlerInnen oder HeizungsbauerInnen mehr hin“, sagt Jürgens. Das Ganze scheint ein Teufelskreis. Die BauarbeiterInnen könnten sich nicht arbeitslos melden, da sie laut Tarifverrag nicht wegen Schlechtwetter gekündigt werden dürfen. „Die machen 100.000 Arbeiter zu Sozialhilfeempfängern“, schimpft ein Gewerkschaftler.

Außerdem mache die Streichung des Schlechtwettergeldes den Beruf für den Nachwuchs, den man ohnehin kaum gewinnen kann, noch unattraktiver. Die ArbeitgeberInnen stünden alle hinter den BauarbieterInnen, denn sie wollten ihre guten Leute auch nicht entlassen: Suchen sie mal einen guten Maurer, heißt es da. vivA

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