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Roulette steht still, wenn Gewerkschaft will

■ Casino-Angestellte gründeten eine eigene Interessenvertretung

Bad Homburg (taz) – Lothar Felsch ist Croupier im Casino von Aachen – und seit dem 17. August Beisitzer im Vorstand der neugegründeten Bundesvereinigung der Spielbankbeschäftigten e.V. mit Sitz in Bad Homburg. Und weil sich im legendären Casino von Bad Homburg schon Dostojewski am Roulettetisch in den Ruin spielte, schwört Felsch auf das Bogensystem: „Machen Sie einen Bogen um die Spielbanken!“

Gewinner in den Casinos sind nämlich die Finanzminister der Bundesländer und die Konzessionsnehmer der in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossenen Spielbanken. 80 Prozent der Gewinne aus den Taschen der Zocker fließen in die Haushaltskassen der Länder. Die restlichen 20 Prozent gehören dem Casinobetreiber. Und was bleibt übrig für die Croupiers und die Cassiers, für die dienstbaren Geister an den Spielautomaten oder auch für die Putzfrauen? Der „Tronc“, in den sämtliche Zuwendungen der Gäste fließen – das sind die obligatorischen „Stücke für die Angestellten“ nach einem Gewinn am Roulettetisch, beim Black Jack oder Bakkarat. Jeder Spielbankmitarbeiter wird monatlich nach einem festgelegten Punkteschlüssel aus dem „Tronc“ bezahlt. Die „Kopfcroupiers“ am Kopfende eines Roulettetisches kommen so auf rund 2.400 Mark brutto, die erfahrenen Spielleiter und Chefcroupiers auf bis zu 6.000 Mark.

Doch wie fast allen steuerzahlenden Menschen sitzt auch den Angestellten der Spielbanken Theo Waigel im Nacken. Weil mit der Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen zum 1. Januar 1996 die steuerfreien Nachtzuschläge auf einen Schlag gestrichen werden sollen, befürchten die MitarbeiterInnen der Spielbanken Einkommenseinbußen von bis zu 30 Prozent. Der zu schluckende „Steuerfrosch“, so Croupier Felsch, sei für die Casinoangestellten denn auch der letzte Anstoß dafür gewesen, sich bundesweit zu organisieren. Denn die Gewerkschaften DAG und HBV, die für die „Kesseldreher“ und „Rechenkünstler“ (Felsch) bislang die Tarifverträge mit den Casinobetreibern aushandelten, seien bei den zurückliegenden Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern „relativ undynamisch“ aufgetreten. „Die Gewerkschafter wissen ohnenhin nicht so genau, was wir da eigentlich machen und was wir wirklich brauchen.“

Spielbankangestelle aus 14 bundesdeutschen Casions gehören heute schon der Bundesvereinigung der Spielbankbeschäftigten an. Und dem Vorstand, mit Karl Hauser (Baden-Baden) an der Spitze, geht es nicht nur ums Geld. Ein anerkanntes Berufsbild „Spieltechniker“ wollen sie durchsetzen, damit auch ihnen im Krankheitsfall einmal eine Berufsunfähigkeitsrente zusteht. Denn „am Tisch arbeiten“, so Klaus Weißmann aus Bad Homburg, sei knallhart: „Wechselschichten, rauchgeschwängerte, mitunter schlecht klimatisierte Raumluft, Streß durch höchste Konzentration, soziale Vereinsamung aufgrund der Arbeitszeiten – und die höchste Scheidungsrate aller Berufsfelder.“ Die Politiker, sagt Weißmann, müßten Interesse an der Pflege der Spielbanken haben. Schließlich hätten diese letztes Jahr 1,1 Millarden Mark erwirtschaftet – zur Freude der Finanzminister. Klaus-Peter Klingelschmitt

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