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Zufrieden weidete das Publikum

■ Mike Svoboda spielte Alphorn, Schneckenhorn und Didgeridoo

Zuerst tönte es von fern im Lichthof des Überseemuseums: Wie Echos klangen die tiefen Töne des Alphorns und das Läuten der Kuhglocken zu den Zuhörern herüber – immer näher und deutlicher kam der Klang, und dann schritten der Bläser und sein Alphornträger mit gebührendem Pathos zur Bühne hin. So muß dieses Instrument vorgestellt werden, wenn man es schon hinunter ins Flachland entführt und damit gleich die erste Regel aus dem Alphornbüechli von A. L. Gassmann bricht: „Das Alphorn gehört in die Berge hinein.“

Aber einem Amerikaner mag man es verzeihen – er darf sich auch in seiner Komposition „D'Brhms f'Hoinz“ auf Horn und Glocken seinen eigenen Reim auf die Alpenseligkeit machen. Mike Svoboda spielte selbst Alphorn-Traditionals wie „Jodelreigen“, „D'r alte Schüpfer“ und „Dem Tüchtigen Freie Bahn“ mit einer ironischen Distanz, die bei diesem Dacapo Konzert keinerlei volkstümelnde Gemütlichkeit aufkommen ließ.

Zwischen den Schweizer Berghymnen verlas Peter Lüchinger von der Shakespeare Company im schönsten Schwyzerdütsch die „10 Merksmarks des Alphornisten“, und auch diese Zitate verstärkten den Verfremdungseffekt: Svoboda führte uns bei aller Virtuosität seines Spiels das Alphorn als ein Außenstehender vor, der uns an seiner eigenen Faszination und Neugierde an dem Instrument teilhaben ließ.

So spielte der renommierte Jazz-Posaunist dann auch direkt nach den Volksweisen drei Stücke für solo Alphorn von modernen Komponisten. „Q“ von Hespos zum Beispiel bestand fast nur aus verschiedenen Ansätzen, Modulationen und Obertönen; in „Weltenenden“ verblüffte der Stereoeffekt des Instrumentes, bei dem am Mundstück ganz andere Töne entstehen, als an der weit entfernten Schallöffnung. In der „Hommage a Schubert“ entpuppte sich das Alphorn schließlich als theatralisches Instrument, auf dem Svoboda während der Rezitation eines Gedichtes über des Herrn Olofs Begegnung mit dem Erlkönig einen hochdramatischen Soundtrack spielte.

In witzigen Miniaturen stellte Svoboda außerdem einige Verwandte des Alphorns vor: Bei einer Improvisation auf dem australischen Didgeridoo ließ er sich gleich vom gesamten Publikum mit Gesang, Gelächter und Fingerschnippen begleiten, und auf dem Muschelhorn aus der Südsee interpretierte er seine Komposition mit dem sinnigen Titel „Hommage a Badesaison“. Wenn er auch noch ein tibetanisches Klosterhorn gespielt hätte, wäre die Instrumentenfamilie vollständig versammelt gewesen.

Aber im Mittelpunkt des Soloabends blieb der Wal unter den Hörnern, und für einige mehrstimmig gespielte Stücke mit Titeln wie „Waldecho“, „Abendrot“ oder „Zwei Freunde“ holte sich Svoboda den Alphornspezialisten Heinz Zimmermann aus Dettenhausen sowie den Dilettanten Ingo Ahmels von Dacapo an die Hörner. Da hallte es dann dreifach majestätisch im Lichthof wider und man ahnte, was die Kühe empfinden, von denen Gassmann schreibt, daß sie „bei den ersten Klängen aufhorchen und dann zufrieden weiden.“

Willy Taub

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