piwik no script img

"Wir müssen nach vorne schauen"

■ Welche Folgen hat das katastrophale Abschneiden der Grünen in Sachsen und Brandenburg für die gemeisame Berliner Senatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen? / Interview mit der Grünen-Abgeordneten Renate Küna

taz: Was bedeutet das Wahldebakel der Grünen in Sachsen und Brandenburg für das Berliner Bündnis 90/Die Grünen?

Renate Künast: Die Ergebnisse zeigen, daß wir hier eine alte Diskussion aufgreifen müssen. Nämlich die, ob es ausreicht, aufzuarbeiten und sich mit der Aufarbeitung zu profilieren. Ich glaube, daß dem nicht so ist. Das bedeutet nicht, es nicht tun zu wollen. Ich habe mich dafür immer eingesetzt. Aber ich halte es für einen großen Mangel, daß man sich ausschließlich profiliert als jemand, der immer Vergangenes aufarbeitet und immer wieder moralisiert. Ich glaube, daß das Bündnis 90 sich in ganz großem Maße mit dieser Aura umgibt: Aufarbeiten, Punkt. Und dann kommt lange nichts. Das ist für mich ein eklatanter Fehler. Es ist auch falsch, wenn Marianne Birthler und andere jetzt sagen, die Vereinigung Bündnis 90/Grüne hat der Bürgerbewegung geschadet. Bündnis 90 ist vielmehr im Osten viel zu passiv. Wenn Leute sagen, es ist nicht die Zeit für ökologische Themen, dann stimmt das nicht. Alle Umfragen zeigen, daß kurz hinter Arbeitsplatz und Wirtschaft das Thema Ökologie kommt. Die Leute können einen aber nur wegen der Ökologie wählen, wenn man dazu etwas macht. Wer aber nur über Schwarz-Grün nachdenkt oder Aufarbeiten, oder sich zerstreitet wie die Brandenburger – warum soll man die denn wählen? Das ist doch profillos.

Ein scharfes Profil hat das Bündnis 90 bei der Vergangenheitsbewältigung schon — die aber will keiner mehr.

Ich werde es nie lassen, nur weil die Leute das nicht wollen. Aber man muß das Ganze in ein gesundes Verhältnis bringen. Es kann doch nicht sein, daß wir die Partei werden, die immer rückwärtsgewandt aufarbeitet und ausgräbt, während die anderen die Zukunft gestalten und festzurren. Wir dürfen uns nicht aus der Gestaltung der Zukunft verabschieden.

Werden die Bündnis-90-Leute zur Belastung für die Partei?

Ich bin dagegen, eine Vereinigung, die wir bewußt vollzogen haben, jetzt in Frage zu stellen. Aber wir müssen nach vorne schauen.

Die PDS hat es offenbar geschafft, sich als Oppositionspartei darzustellen. Droht ein Wahldebakel auch in Ostberlin, weil Bündnis 90/Grüne zu sehr auf Regierungsverantwortung schielen?

Das ist ein Problem. Die PDS ist eine Konkurrenz für uns. Es gehört zu uns, ein Stück systemkritische Haltung zu haben. Das wird vom Bündnis 90 teilweise nicht gewollt. Dabei kann man zur Regierungsbeteiligung bereit sein und trotzdem eine systemkritische Haltung haben. Uns wird noch Hören und Sehen vergehen, wenn die PDS das weiterspielt und wir immer brav sitzen und uns nicht mehr trauen, unsere Kritik laut und vehement zu sagen. Wo ist unsere Frechheit geblieben? Int: Gerd Nowakowski

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen