: Ein Zaun für Flüchtlinge
In Meckenheim will die Stadtverwaltung auf Lärmbeschwerden mit einer Einzäunung von Asylbewerbern reagieren / SPD und Grüne: Ein städtischer Beitrag zur Ausländerfeindlichkeit ■ Von Walter Jakobs
Meckenheim (taz) – Eigentlich sollte alles ganz lautlos über die Meckenheimer Rathausbühne gehen. Ausgeschrieben war der Auftrag, erste Angebote lagen vor, im August fehlten nur noch die Zustimmung im nichtöffentlichen Teil der Bauausschußsitzung und die Bewilligung der Mittel durch den Rat. Doch dann spielte die Opposition nicht mit. Was da von der CDU-Mehrheit durchgeboxt werden sollte, mochte SPD-Ratsherr Ulrich Golinske zunächst nicht glauben. Doch die Baumaßnahme, für die die von der CDU und einer Wählergemeinschaft regierte Stadtverwaltung im Ausschuß warb, war bitter ernst gemeint. 26.000 Mark begehrte die Mehrheit, um die Asylbewerberhäuser in Meckenheim-Merl einzuzäunen: ein zwei Meter hoher Zaun als Reaktion auf Lärmbeschwerden von Anwohnern. Was Golinske als einen „fahrlässigen Beitrag zur Ausländerfeindlichkeit“ wertete, schien der politischen Mehrheit geeignet, den gestörten Frieden in Meckenheim wiederherzustellen. Golinskes Plädoyer, „wir brauchen Verständigungsmaßnahmen und keine Baumaßnahmen“, ließ die Mehrheit kalt. Der Zaun wurde beschlossen. Jetzt steht nur noch die Genehmigung der außerplanmäßigen Mittel durch den Rat aus. Die da eingezäunt werden sollen wurden ebensowenig gefragt, wie die Anwohner der Flüchtlingsunterkünfte. Unstrittig ist, daß es vor allem im Sommer zu Lärmbelästigungen bis weit in die Nacht hinein gekommen ist. Eine für alle Seiten befriedigende Patentlösung hat niemand parat, aber die etwa 50 AnwohnerInnen und MitstreiterInnen der von Ulrich Golinske schon vor zwei Jahren gegründeten multikulturellen Initiative „Runder Tisch“ waren sich letzten Donnerstag einig, daß das Vorhaben der Stadt in jedem Fall gefährlicher „Blödsinn“ sei. Die Anwohner wollen den Zaun nicht, aber sie sind auch ratlos, weil individuelle Gespräche und Beschwerden „nichts gebracht haben.“ Manch bittere Erfahrung kam hinzu. So erzählt eine Frau, daß ein Nachbar von den ausschließlich männlichen Asylbewerbern wegen seiner Beschwerden schon mal als „Nazi- Schwein“ beschimpft worden sei. Eine brisante Atmosphäre, die nach einer politisch-integrativen Intervention geradezu schreit – nur nicht nach einer neuen Mauer.
Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats in Meckenheim-Merl, Ernst Schmied, hat den Oberstadtdirektor, Johannes Vennebusch (CDU), dringend gebeten, vom Zaun abzulassen. Statt des Zaunes, der den „Unterkünften der Asylsuchenden einen unerwünschten Ghetto-Charakter geben würde“, fordert der Kirchenmann städtische Unterstützung für alle, die sich dafür engagieren, „im Gespräch für ein gut nachbarschaftliches Miteinander zu sorgen“. Reaktion: null. Als die Ratsopposition während der Haushaltsberatungen Anfang des Jahres 50.000 Mark für integrative Maßnahmen begehrte, gewährte die Mehrheit gerade mal 10.000. Doch 26.000 Mark für den Zaun sind kein Problem. Dabei wissen die politisch Verantwortlichen genau, daß der Lärm in den angrenzenden Mietshäusern damit ohnehin nicht bekämpft werden kann. Im Protokoll über die Bauausschußsitzung wird die Argumentation der Stadtspitze so wiedergegeben: „Lärmpsychologisch sei hierbei zu berücksichtigen, daß die Geräusche bedeutend weniger stark wahrgenommen würden, wenn ihre Quelle nicht sichtbar sei.“ Durch den Zaun werde im übrigen „auch die Intimsphäre der Übergangsheimbewohner verbessert“. Eine Begründung von fast orwellscher Qualität.
In Meckenheim-Merl bemühen sich viele, den von einem ignoranten Stadtdirektor und einer inkompetenten politischen Mehrheit heraufbeschworenen Konflikt zu entschärfen. Das ist ein hartes Stück Arbeit, denn Meckenheims Stadtdirektor ist dafür berüchtigt, immer dann besonderen Diensteifer zu entwickeln, wenn es gegen die Schwachen geht. Anfang des Jahres geriet Vennebusch bundesweit in die Schlagzeilen, weil er für feuchte städtische Unterkünfte von Obdachlosen 17,33 Mark pro Quadratmeter Nutzungsentschädigung verlangte. Gleichzeitig stellte die Stadt ihrem Stadtdirektor eine herrlich gelegene Dienstvilla mit großem Garten für 10 Mark pro Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung.
Zwischen den Häusern in Meckenheim-Merl wirbt der Rhein- Sieg-Kreis auf Plakaten für ein friedliches Zusammenleben von Deutschen und Ausländern: „Gewaltfrei miteinander“ soll es nach dem Wunsch der Kreisbehörde zugehen. Auf einem der zahlreichen Plakate hat jemand mit einem dicken Filzstift „Nigger raus“ gekritzelt. Die einen benutzen Filzstifte, die anderen planen Zäune.
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