: Hardraht: Ein Mann läßt nicht locker
■ Sonderstaatsanwalt berufen / Werden 2500 Anzeigen gegen Polizisten neu aufgerollt?
Hamburgs Justizsenator Klaus Hardrath hat gestern weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Polizeiskandals angeordnet. Er setzte einen Sonderstaatsanwalt ein, dem die Polizeidienststelle „PS 3“ (Präsidialstab zur Ermittlung von Beamtendelikten) unterstellt ist. Hardrath: „In den Verfahren Wache Kirchenallee und Gänsemarkt soll beschleunigt ermittelt werden.“ Die durch den Fall Dialle D. ins Zwielicht geratene „Abteilung 3“ der Staatsanwaltschaft wurde damit faktisch entmachtet.
Gleichzeitig ordnete Hardrath die Überprüfung sämtlicher Ermittlungsverfahren an, die in den vergangenen zwei Jahren gegen Beamte des Einsatzzugs Mitte sowie der Revierwachen Lerchenstraße und Kirchenallee geführt worden sind. Dazu hat Hardrath eine „Sonderkommission“ aus den Staatsanwälten Norbert Dose und Dietrich Klein sowie dem Oberlandesrichter Dr. Dierk Mattik ernannt. „Diese Kommission soll sämtliche Akten durchsuchen, ob Maßstäbe vertreten worden sind, die nicht nachvollziehbar und vertretbar sind“, so Hardrath.
Wie berichtet, waren in der Vergangenheit bislang von der Abteilung 3 sämtliche 130 Ermittlungsverfahren gegen Beamte der Revierwache 16 eingestellt worden. Sollte es Anhaltspunkte für „ein zu schnelles Einstellen“ geben, werden alle Verfahren, die überhaupt gegen Hamburger Polizeibeamte in den vergangenen zwei Jahren anhängig waren, nochmals überprüft. Der Justizsenator schätzt, daß das „an die 2500 Akten sein“ würden. Hardrath weiter: „Dann werden wir schnell handeln, wir werden überprüfen, ob Disziplinarmaßnahmen notwendig sind oder ob die Abteilung umstrukturiert werden muß.“
Hardrath räumte gestern ebenfalls ein, daß das Verhalten der ermittelnden Staatsanwältin Marion Zippel im Fall des Senegalesen Dialla D. rechtlich umstritten sei. Hardrath: „Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Nebenklage keine Akteneinsicht gewährt worden ist. Dem Betroffenen sind entsprechende Rechte beschnitten worden.“
Daß das Verfahren gegen die beiden Polizisten auf dem Wege des Strafbefehls abgewickelt wurde, sei, so Hardrath, im Grundsatz nicht zu bemängeln. Jedoch hätte man diesen Fall im Zusammenhang mit anderen Fällen sehen müssen, so daß eine Hauptverhandlung im öffentlichen Interesse gewesen sei. Hardrath: „Sie hätte das Verfahren im Zusammenhang mit den Fällen Fennel, Priebe und Gänsemarkt sehen müssen.“
Frank Fennel und Lutz Priebe waren von Beamten des Lerchenstraßen-Reviers 16 schwer mißhandelt worden (taz berichtete). In beiden Fällen hatte Hardrath nach mehreren Einstellungsverfügungen – unter anderem durch Marion Zippel – die Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen Polizeibeamte angeordnet.
Senator Hardrath: „Im Fall Fennel ist Anklage erhoben worden. Das Amtsgericht hat jedoch am Freitag die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Gegen diesen Beschluß werden wir Beschwerde einlegen.“
Vor dem Hintergrund der nunmehr eingeleiteten Generalrevision bedauerte Hardrath den Rücktritt Hackmanns: „Ich halte die Entscheidung politisch für falsch. Sie wäre nicht nötig gewesen, weil Herr Hackmann sich nichts hat zu schulden kommen lassen.“
Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen