: Staatsrat spielt den Saubermann
■ Rassismus in der Hamburger Polizei erstmals offiziell zugegeben / Skandal weitet sich aus / Einsatzzug Mitte aufgelöst Von Kai von Appen
Es geht also doch: Einen Tag nach dem Rücktritt von Innensenator Werner Hackmann hat Innenbehörden-Staatsrat Dirk Reimers gegen 27 Polizeibeamte Strafverfahren wegen ausländerfeindlicher Übergriffe eingeleitet. Den Polizisten wird Körperverletzung im Amt, Strafvereitelung, Freiheitsberaubung und Nötigung vorgeworfen. Der „Einsatzzug Mitte I“ wurde aufgelöst. Reimers: „Mit sofortiger Wirkung ist allen Beamten die Führung der Dienstgeschäfte verboten worden.“
Damit vollzog Reimers die Maßnahmen, die Innensenator Werner Hackmann am Montag gegen den Staatsrat selbst und die Polizeiführung nicht durchsetzen konnte. Hackmann waren vorgestern, nach dem von der taz hamburg aufgedeckten ausländerfeindlichen Übergriff auf Dialle D., weitere rechtsextremistische Fälle bei der Polizei zugetragen worden. So soll ein Beamter im Keller der Revierwache 11 in der Kirchenallee mit Vorliebe Afrikaner so lange provoziert haben, bis diese sich wehrten – und er einen Vorwand hatte, die Inhaftierten zusammenzuschlagen. Von diesen Vorfällen wurde Hackmann am Montag durch einen Bericht des Revierleiters in Kenntnis gesetzt. Die RevierbeamtInnen hatten bislang die Übergriffe gedeckt.
Der seit Jahren umstrittene „Einsatzzug Mitte I“ unter der Leitung von Dieter Dommel ist mit sofortiger Wirkung aufgelöst, nachdem ein Ex-Mitglied der Einheit Senator Hackmann am Montag über die rechtsradikalen Tendenzen im Zug aufgeklärt hatte. Reimers: „Danach sollen festgenommene Ausländer provoziert, geschlagen und mißhandelt worden sein“.
Noch vor wenigen Wochen hatte Polizeisprecher Werner Jantosch entsprechende Presseberichte als „gezielte Diffamierung“ zurückgewiesen. Dabei ist es seit langem ein offenes Geheimnis, daß mehrere Beamte des Zuges ihre Sympathien für die rechtsradikale Deutsche Volksunion (DVU) nicht verhehlen und für diese Partei innerhalb der Polizei geworben haben.
Ein Beamter hatte überdies nach bisherigen Erkenntnissen Kontakte zu einer militanten rechtsradikalen Gruppe. Er soll auch an Wehrsportübungen teilgenommen haben. Einem weiteren jetzt suspendierten Polizisten werden Kontakte zur rechtsradikalen Skinhead-Szene vorgeworfen. Dieser Beamte hatte sich zielgerichtet beim Staatsschutz beworben, um im Bereich der „Bekämpfung des Rechtsextremismus“ eingesetzt zu werden.
Der „Einsatzzug Mitte I“ war in diesem Jahr mehrfach unangenehm aufgefallen. So gingen die Beamten am 1. Mai mit Elektroschockern und Tränengas gegen Teilnehmer der 1. Mai-Veranstaltung des DGB vor, als diese den SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping auspfiffen. Am 30. Mai fielen Zivilbeamte des Einsatzzuges Mitte während einer Kundgebung des rechtsradikalen FPÖ-Chefs Jörg Haider auf dem Gänsemarkt über Gegendemonstranten her. Der ARD-Journalist Oliver Neß wurde dabei mißhandelt und schwer verletzt (taz berichte). Wenige Tage später machte der Einsatzzug im Schanzenpark Jagd auf Afrikaner und knastete sie grundlos mehrere Stunden ein.
In seiner gestrigen Erklärung versuchte Staatsrat - und Ex-Polizeipräsident! - Reimers den Eindruck zu erwecken, als habe es nie Differenzen zwischen Innenb ehörde und Polizeispitze gegeben: „Die Notwendigkeit aller getroffenen Maßnahmen ist von Behördenleitung und Polizeiführung in völliger Übereinstimmung beurteilt worden. In aller Eindeutigkeit wird klargestellt, daß in der Polizei ausländerfeindliche Tendenzen nicht geduldet werden.“
Wenn dies so sein sollte: Warum bloß ist Hackmann dann zurückgetreten?
Weitere Berichte zum Thema: Seiten 1 und 3 sowie Seite 18
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