■ Kommentar
: Riskantes Karussell

Henning Voscherau hat gehandelt. In einem Verzweiflungsakt schob der Erste Bürgermeister die seiner Ansicht nach besten Köpfe im zweiten Glied der Verwaltung hin und her – und Hartmuth Wrocklage sogar hinauf. Voscheraus Kalkül: Hamburgs fähigster und unbestechlichster Staatsrat soll den lodernden Politbrand in der Innenbehörde löschen.

Des Bürgermeisters Risiko: Wrocklage ist zwar überaus loyal, neigt aber zu innerer Unabhängigkeit. Er ist keiner von Voscheraus Mauschelbrüdern, sondern ein solider Gesinnungsethiker, ein Menschenschlag, dem der Senatsboß wg. Andersartigkeit prinzipiell mißtraut. Kein Wunder, daß Voscherau deshalb seinen braven Vasallen Wolfgang Prill als Staatsrat und Aufpasser in den Johanniswall schickte. So ist sichergestellt, daß Voscherau nichts entgeht.

Prill reißt jedoch eine kleine Lücke in Voscheraus senatsinternes Kontrollsystem: Prills Aufgabe, den Behördenfrischling Erhard Rittershaus gleichermaßen zu kontrollieren wie anzuleiten, wird Nachfolger Heinz Giszas, bislang Leiter des Amtes für Strom und Hafenbau, nur zur Hälfte perfekt erledigen. Andererseits ist die Beförderung des Hafenkaisers Giszas zum Staatsrat von eminenter politischer Aussagekraft: Die traditionelle Hafenlobby übernimmt die Wirtschaftsbehörde und wird die Gewichte der Wirtschaftspolitik noch weiter rückwärts schieben.

Vielleicht noch gefährlicher jedoch ist das Loch, welches Wrocklage in der Finanzbehörde hinterläßt. Ohne den einzig fähigen Finanzmanager im Regierungslager werden Haushaltslehrling Ortwin Runde (Finanzsenator) und Kassenfrischling Dirk Reimers (Staatssekretär) schlicht kopflos dastehen. Die Abschiebung des furchtbar formal denkenden Reimers in den Turm am Gänsemarkt zeigt, wie sehr bei Voscherau Polittaktik vor Sachpolitik geht: Reimers sollte aus der Schußlinie – für die Sachaufgabe der gewaltigen Finanzreform, die Wrocklage gerade angeschoben hat, ist er durch nichts qualifiziert.

Werden Wrocklage und Prill dann wenigstens Innenbehörde und Polizeiapparat sanieren können? Dem agilen Prill, einem Verwaltungstechnokraten feinsten Wassers, fehlen die Grundvoraussetzungen, um die überfällige Totalsanierung der Polizei auf den Weg zu bringen. Seine tiefe Verwaltungssozialisation wird ihm vielleicht helfen, sich im tückischen Gestrüpp von Wandsbeker Parteisoldaten und mißtrauischem Polizeiapparat zurechtzufinden – Reformvisionen sind nicht sein Ding.

Ähnliches gilt für Wrocklage: Zwar wird er den Willen zu Reformen mitbringen – auch er ist aber zu sehr von 24 Jahren Behördenalltag geprägt. Die Aufgabe der Verwandlung eines hierarchischen Machtapparates in ein humanes Dienstleistungsunternehmen ist für ihn ein paar Nummern zu groß. Florian Marten