: Der herzlose Privatlehrer
Die Lernchancen mit Computern sind enorm, aber kritische Anwendung tut not / Sich schon in der Schule mit Multimedia-Technik beschäftigen? ■ Von Christian Arns
Längst ist der Computer keine bessere Schreibmaschine mehr. Ohne Probleme können Videoclips über den Bildschirm angesehen oder verändert werden, können Anwender Musik per Tastatur erzeugen. Zahlreiche Arbeitgeber schulen inzwischen ihre Mitarbeiter an speziellen Computern, den Multimedia-Arbeitsplätzen.
„Der große Vorteil ist, daß jeder seine Lerngeschwindigkeit selbst bestimmen kann, auch die Intensität, mit der einzelne Aspekte bearbeitet werden.“ Für Jens-Uwe Martens, den geschäftsführenden Gesellschafter des Instituts für wissenschaftliche Lehrmethoden (IWL) in München, sind mit Audio- und Videokarte sowie CD- Rom-Laufwerk ausgestattete Rechner „der ideale Privatlehrer“. Das Unternehmen entwickelte jetzt ein Programm für Mitarbeiter einer großen Versicherungsgesellschaft: „Warum soll ein Trainer ständig erklären, wie eine Lebensversicherung aufgebaut ist?“
Voraussetzung für den Erfolg sei aber zum einen gute Schulungs- Software, zum anderen dürften die Unternehmen keinesfalls Trainer durch Computer ersetzen: „Der Computer gibt keine Rückmeldung, wie ein Mitarbeiter bei Kunden ankommt“, nennt Martens klare Grenzen. „Soziales Verhalten muß in der Gruppe und mit einem Trainer vermittelt werden.“
Ökonomisch scheint das neue Medium ein Renner zu werden. Mehr als die Hälfte der Mitglieder im (Bundes-)„Verband Berufliche Qualifizierung“ bieten beispielsweise die digitalen Privatlehrer an. Und der Bildungsmarkt boomt: 50 Milliarden gaben deutsche Firmen 1992 für die berufliche Bildung aus. Technikmessen in Berlin und Köln greifen diesen Herbst die neue Multimedia-Technik auf. Ein eigenes Forum zur Qualifizierung gibt es indes noch nicht.
Dabei bedarf gerade der kompetente Umgang mit Medien vorheriger kritischer Auseinandersetzung, betont Astrid Vietmeier, Referentin beim Niedersächsischen Landesinstitut für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtsforschung (NLI) in Hildesheim. Aus der Wahrnehmungsforschung sei bekannt, daß Dinge besser erinnert würden, bei denen mehrere Sinne zugleich angesprochen wurden. Out ist demnach das nüchterne Lehrbuch, aber auch der heruntergespulte Frontalunterricht. In einem bundesweit einzigartigen Versuch erprobte das NLI daher zehn Jahre lang den Einsatz und die Thematisierung neuer Technologien bereits in den allgemeinbildenden Schulen. Entwickelt wurde ein „integratives Konzept“, nach dem Computer nicht isoliert in einem Fach abgehakt, sondern in jedem Fach außer Sport den einzelnen Lehrinhalten entsprechend genutzt und auch problematisiert werden sollen.
Den Absolventen stünden so die Chancen der sich immer weiter durchsetzenden Multimedia-Technik offen, so Astrid Vietmeier. Und ihre Gefahren wären gebannt.
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