■ Bonn apart: Kleine Farbenspiele
Kaum ist das Bonner Sommertheater zu Ende, steht schon die Herbstkomödie ins Haus. Wer mit wem, lautet die heiß diskutierte Frage. Und weil der Wahlkampf sonst nicht viel zu bieten hat, sind alle Akteure eifrig bemüht, Gerüchte zu streuen oder heilige Schwüre abzulegen. Zu den fleißigsten Bekennern gehören Rudolf Scharping und sein Adjudant Günter Verheugen. Kaum ein Tag vergeht, ohne daß einer der beiden den von der Union eifrig geschürten Verdacht zerstreuen muß, die Sozialdemokraten planten für den Wahlabend ein „Komplott“ mit der im Westen geschmähten PDS.
Kaum hatte der Kanzlerkandidat wieder einmal erklärt, er schließe „eine Lösung à la Magdeburg kategorisch aus“, sät sein Genosse Horst Peter neue Zweifel. „Der Erfolg der PDS“, kommentiert der Statthalter der SPD-Linken die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen, „hat die Karten neu gemischt!“ Ziehe die „Lega Ost“ in den Bundestag ein und kippe die FDP weg, so analysiert er scharf, stehe die SPD plötzlich vor der Alternative, der sich die Parteiführung bislang hartnäckig verweigert habe: Große Koalition oder Tolerierung von Rot-Grün durch die PDS. Peters Folgerung dürfte Scharping jedoch gar nicht schmecken: Die Entscheidung darüber werde der Partei nicht leicht fallen, prophezeit Peter, aber sie sei „noch lange nicht getroffen“.
Sollte Scharping etwa doch? Oder springt für den Fall der Fälle der Troikaner Gerhard Schröder ein, von dem es heißt, er könne sich den erfolgreichen PDS-Entertainer Gregor Gysi gar als Kabinettskollege vorstellen. Wie auch immer, in einem scheint Schlaumeier Peter Recht zu behalten: Der Erfolg der rotzfrech und unverfroren auftretenden PDS zwingt auch die Liberalen zum Farbenspiel. Kaum hatte das FDP-Präsidium die Überlebens-Parole „Jetzt geht's um alles“ ausgegeben, drehte Hermann Otto Solms auch schon am blau-gelben Fähnchen, das Jürgen Möllemann bereits heftig angepustet hatte: Falls es für die Koalition nicht reiche, aber eine Mehrheit mit SPD und Grünen drin wäre, steckte der sonst stocksteife Fraktionsboß dem Flensburger Tageblatt, müsse man halt weitersehen. Tags darauf wurde schon dementiert; denn gebraucht wird die FDP schließlich, damit Kohl Kanzler bleiben kann. Die Äußerung, so Solms, sei eine „Fehldarstellung“, lieber gehe man doch in die Opposition. Das wird Parteichef Klaus Kinkel freuen, denn der hatte gelobt: „Mit uns wird nicht gehampelt und geampelt.“ Danke, Herr Kinkel, das hätte ja gerade noch gefehlt! Erwin Single
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