: Sonnen-Kohle für reiche Witwen?
■ Solarstrom- Förderung: CDU, GAL und Statt ziehen an einem Strang / HEW winken ab Von Marco Carini
Gibt es „Europas fortschrittlichstes Förder-Programm“ für erneuerbare Energien, wie der Solarenergie-Förderverein Aachen jubelt, bald auch in Hamburg? Die Rede ist vom „Aachener Modell“, durch das erstmals die kommunalen Elektrizitätswerke verpflichtet werden, privaten Erzeugern von Solarstrom und anderen regenerativen Energien kostendeckende Preise zu zahlen, wenn sie den Öko-Strom ins Netz einspeisen. Hamburgs Grüne, Christdemokraten und Statt-Partei-PolitikerInnen wollen am kommenden Donnerstag in der Bürgerschaft für Aachener Verhältnisse in der Hansestadt votieren.
Durch eine kostendeckende „Einspeise-Vergütung“, wie in Aachen Ende August beschlossen, könnte nach Auffassung der BefürworterInnen der Einstieg in die preiswerte Massenproduktion vor allem von Solarstrom-Anlagen geschafft werden. Denn während die Produktion von Sonnenstrom noch immer happige 2 Mark pro Kilowattstunde kostet, zahlen etwa die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) privaten Solarenergie-Erzeugern, die ins HEW-Netz einspeisen, nur unattraktive 27 Pfennige. Die Folge: Die Sonnenenergie-Technologie tritt auf der Stelle.
„Mit dem Aachener Modell bekommen wir den entscheidenden Hebel zur Förderung der Sonnenenergie“, begründet der GAL-Umweltexperte Alexander Porschke die Forderung seiner Partei, der Senat möge die HEW veranlassen, für Öko-Strom zukünftig „kostengerechte Preise“ zu zahlen und die Mehrkosten auf alle Stromkunden umzulegen.
Neben der GAL wollen auch die CDU und die Statt-Partei am kommenden Donnerstag Anträge zum Aachener Modell in die Bürgerschaft einbringen, die allerdings deutlich entschärft sind. So einigte sich die CDU-Fraktion gestern nachmittag auf ein Papier, das durch die Solarförderung ausgelöste Strompreiserhöhungen auf einen Pfennig begrenzt und offenläßt, ob neben den Privathaushalten auch die industriellen HEW-Sondervertragskunden zur Kasse gebeten werden sollen.
Bedeckt hingegen halten sich Umweltbehörde und Sozialdemokraten. „Wir prüfen das“, verlautbart Umweltbehörden-Sprecherin Ina Heidemann, während der umweltpolitische Sprecher der SPD, Jens-Peter Petersen, attestiert: „Der Diskussionsstand in meiner Fraktion ist völlig offen.“ Klar sei nur, daß die Strompreise durch die Solarstrom-Förderung keinesfalls unbegrenzt klettern dürften. Petersen: „So wie die GAL sich das vorstellt, geht das nicht“. Zunächst einmal sollen die Aachen-Anträge in die Warteschleife des Umweltausschusses überwiesen werden.
Nur die HEW liefern - wenig überraschend - ein klares Bekenntnis gegen Aachener Verhältnisse in der Hansestadt ab: „Wir halten davon gar nichts“, bezieht HEW-Sprecher Johannes Altmeppen Position. Durch ein solches Subventionierungsmodell könnten „Zahnärzte und reiche Witwen“ erhebliche Abschreibungs-Gewinne erzielen, „während Hamburgs Strom-Kunden die Zeche zahlen“.
Durch die Förderung der marktüblichen, aber teuren Silizium-Sonnenzellen würden nach Auffassung des Stromversorgers zudem „der Industrie Anreize genommen, in die Entwicklung preisgünstigerer Photovoltaik-Anlagen zu investieren“, die auf dem Energiemarkt konkurrenzfähig seien. Altmeppen: „Wir überlegen eher, selber in die Produktion neuartiger Solarzellen einzusteigen.“ Doch die könnten ohne Subventionierung schnell zum Ladenhüter werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen