piwik no script img

Polizeiübergriffe auf Demo haben Folgen

■ Einsatz am 1. Mai führt zu weiteren Ermittlungen gegen Polizisten

Die Polizei ermittelt längst nicht mehr nur wegen Übergriffen auf Vietnamesen und Fehlverhaltens einer Kreuzberger Einheit gegen sich selbst. Ein Zeitungsbericht sowie Gedächtnisprotokolle zu einem Polizeieinsatz am 1. Mai gegen Demonstranten haben jetzt zu Ermittlungen gegen weitere Beamte geführt, berichtete gestern der Direktor der Landesschutzpolizei, Gernot Piestert, vor dem Innenausschuß des Abgeordnetenhauses. Auf entsprechende Untersuchungen hat das Bündnis 90/Die Grünen gedrängt. Wolfgang Wieland, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, machte angesichts weiterer Fälle von tatsächlichen oder vermeintlichen Übergriffen Innensenator Dieter Heckelmann und Staatssekretär Armin Jäger (beide CDU) Vorhaltungen: „Wir müssen bei kleineren Demonstrationen eine Gangart wie unter dem ehemaligen Innensenator Kewenig beobachten.“

Wieland warf der Spitze der Innenverwaltung vor, gleich mehreren „glaubwürdigen Berichten“ nicht nachgegangen zu sein. Bei einer Demo am 1. Mai am Brandenburger Tor sei auf eine Gruppe junger Berliner Türken mit Holzknüppeln eingeprügelt worden, nachdem sie längst eingekesselt waren. Es dürfe nicht angehen, daß Polizisten „links und rechts blutige Schädel hinterlassen und daneben steht der Polizeipräsident“. Polizeichef Hagen Saberschinsky war bei dem damaligen Einsatz anwesend.

Bei einem Einsatz am 21. Mai habe die Polizei nach einer Demonstration einen U-Bahn-Waggon auf dem überfüllten Bahnhof Turmstraße gestürmt und offenbar wahllos geprügelt. Es sei ein falsches Einsatzkonzept, wenn „ohne Rücksicht auf Verluste“ Unbeteiligte zu Opfern polizeilicher Maßnahmen würden. Wieland betonte, daß Gedächtnisprotokolle vorlägen und Zeugen bereitstünden.

Heckelmann und Jäger rechtfertigten die Polizeiprügel. Nach der 1.Mai-Demo sei am Brandenburger Tor der „gewalttätige Kern“ übriggeblieben, der die deutsche Fahne verbrannt und zu Plünderungen von Geschäften aufgerufen habe. „Das war keine friedliche Demo“, sagte Jäger, der das Verhalten der Polizei als angemessen wertete. Polizeidirektor Piestert legitimierte den Einsatz im U-Bahnhof mit einer Festnahme. Zuvor seien Beamte „erheblich angegriffen“ worden.

Offenbar hielt Piestert – im Gegensatz zu Staatssekretär und Senator – die Knüppelei am Brandenburger Tor nicht für gerechtfertigt, da er selbst für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Beamte gesorgt hat. Auch will er einen Inspektor in Mecklenburg-Vorpommern aufgefordert haben, gegen seine nach Berlin abgeordneten Beamten dienstrechtlich vorzugehen. Diese hatten am 1. Mai maskiert das Axel-Springer- Haus in Kreuzberg geschützt. Dies sei Mitgliedern von Spezialeinheiten vorbehalten. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen