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Italien: Rundfunk der Regionen

■ Da Silvio Berlusconi nun sechs Fernsehkanäle beherrscht, fordert die Liga Nord die Dezentralisierung der Medien

Rom (taz) – Die Aktion war gut vorbereitet, und sie wurde ausgezeichnet geheimgehalten. Daher konnte sie dann auch handstreichartig über die Bühne gehen: Trotz der Forderung der parlamentarischen Kontrollkommission für das öffentlich-rechtliche Fernsehen, zuerst die programmatischen und dann erst die Personalentscheidungen zu treffen, haben die erst vor zwei Monaten ins Amt gehievten Rundfunkräte die Umbesetzung durchweg aller Chefposten in den drei RAI-Kanälen durchgeführt.

Das politische Erdbeben ist dementsprechend – aber keineswegs nur bei der von faktisch allen Redaktionen ausgeschlossenen Opposition (die Linksdemokraten fordern bereits den Rücktritt des Rundfunkrates). In der Koalition von Regierungschef Silvio Berlusconi rumort es heftig. Insbesondere die norditalienischen Ligen speien Gift und Galle, doch auch der Vertreter der regierungsnahen Radikalen Partei, Marco Taradash (der Vorsitzende der Kommission), hat ein negatives Votum bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Sanierung der RAI angekündigt.

Für die Ligen sind die erfolgten Neubesetzungen der Chefredakteursposten und der Leitungen der Hauptnachrichtensendungen eine besonders herbe Enttäuschung: sie hatten sich die Übernahme zumindest eines Kanals erhofft. Ministerpräsident Berlusconi, von Liga- Führer Umberto Bossi sofort scharf angegriffen, reagierte „überrascht“: Der Rundfunkrat habe „in voller Autonomie“ gehandelt, „wie es das neue, von den Ligen selbst durchgepaukte Gesetz will“. Eine Einmischung seinerseits habe es somit „zu keinem Zeitpunkt gegeben, Ehrenwort.“

Das sei wohl auch nicht nötig gewesen, repliziert die Liga Nord: Schon die Besetzung des Rundfunkrates – laut Gesetz ausschließlich durch die Präsidenten des Senats und der Abgeordnetenkammer – habe seinerzeit für derlei Weichenstellung gesorgt. Als die – der Liga angehörende – Kammerpräsidentin Irene Pivetti Druck seitens Berlusconis „Forza Italia“ beklagt habe, sei versprochen worden, daß die Rundfunkräte bei der Auswahl der Chefposten die Koalitionsarithmetik schon berücksichtigen würden. Nun fühle man sich getäuscht.

Derlei Eingeständnis löst freilich bei den Oppositionparteien spöttisches Gelächter aus. „Just die Ligen waren es ja, die jegliche Proporzentscheidung bei der Besetzung öffentlicher Ämter abschaffen wollten“, stellte der neue Vorsitzende der Italienischen Volkspartei (ehemals Christdemokraten), Rocco Buttiglione, fest. „Aber nun, wo der Rat autonom entschieden hat, sind es gerade sie, die schreien, daß der Proporz nicht gewahrt ist.“

Liga-Chef Bossi jedenfalls gerät zunehmend in Zugzwang; seine Basis fordert eine schärfere Gangart gegen Ministerpräsident Berlusconi. Und so hat Bossi bereits am Sonntag abend angekündigt, das bereits mehrmals angedrohte Antitrustgesetz werde „noch in diesem Herbst verabschiedet – notfalls gegen die Regierung“.

Und auch der neue Verfassungsentwurf soll noch vor Weihnachten präsentiert werden. Er enthält, soviel ist bereits klar, stark regionalisierende Elemente, die nicht nicht nur auf ökonomisch- steuerrechtlichem Gebiet, sondern auch bei kulturellen Fragen angewandt werden sollen. Der Staatsrundfunk soll dann nach bundesdeutschem Vorbild der Hoheit der Regionen (vergleichbar unseren Bundesländern) unterstellt werden – was Berlusconi die nunmehr errungene Macht über das gesamte Fernsehen (die drei Staatskanäle und seine eigenen drei privaten) wieder entwinden würde. Werner Raith

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