Schlangestehen vor dem Eko-Werkstor

Sieben Interessenten für den ostdeutschen Stahlriesen haben sich bei der Treuhand gemeldet / Größte Chancen für belgische Cockerill Sambre / EU-Kommission prüft Subventionen  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Heute ist Einsendeschluß für Eko-Interessenten. Sieben Übernahmeangebote sind bei der Berliner Treuhand eingetroffen. Schon Ende des Monats muß der Favorit benannt sein: Bis dahin erwarten die EU-Kommissare Auskunft über die Privatisierung des Stahlriesen an der polnischen Grenze. Als aussichtsreichster Kandidat gilt die belgische Unternehmensgruppe Cockerill Sambre. Mit Stahlwerken in Lüttich und Charleroi verfügt die Firma immerhin über Erfahrungen in der Branche – die im letzten Jahr allerdings vor allem in massiven Verlusten bestanden. Rund 325 Millionen Mark Miese mußte der Konzern Ende 1993 vorwiegend wegen des katastrophalen Stahlgeschäfts in seine Bilanz schreiben.

Für die Treuhand ist Cockerill Sambre besonders attraktiv, weil der Konzern nicht nur die in Eisenhüttenstadt fehlende Warmbreitbandstraße bauen will, sondern auch gleiche Kapazitäten woanders zurückfahren könnte. Genau das fordert die EU-Kommission als Voraussetzung für ihre Zustimmung zu weiteren Subventionen aus Bonn und Potsdam. Zwar lautete ihre ursprüngliche Anweisung, die bei Eko zusätzlich produzierten Tonnen müßten an anderer Stelle in Ostdeutschland abgebaut werden. Hier hofft die Treuhand aber auf Verhandlungsspielraum.

Als zweite auf der Liste der Möchte-gern-Privatisierer steht die italienische Arvedi aus Cremona. Sie strebt ein Konsortium mit Mannesmann Demag an, die ihr vor zwei Jahren eine Dünnbrammengießwalzanlage gebaut hat. Weiter im Rennen sind die Bremer Hegemann-Gruppe, die schon die Peene-Werft und die Binnenseereederei übernommen hat, und ein Konsortium der Hamburger Stahlwerke mit der US- Firma Nucor. Kaum Chancen werden der mittelständischen Rass- Stahl aus Trier, dem Metallurgischen Kombinat aus Rußland sowie dem Konzept der kasachischen Regierung eingeräumt.

Das Interesse aller Bewerber bezieht sich vorwiegend auf die zu erwartenden Zuschüsse aus der deutschen Staatskasse. Etwa eine Milliarde Mark Steuergelder wird der Verkauf des Eko-Werks kosten, in dem zur Zeit noch 2.900 Stahlkocher beschäftigt sind. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt hat erst kürzlich eingeräumt, daß die Verhandlungspartner über ihre vorteilhafte Position genau Bescheid wüßten. Nachdem 1992 Krupp und im letzten Sommer die italienische Riva abgesprungen sind, sucht die Treuhand verzweifelt nach einem neuen Investor. Schon heute buttert die Treuhand jeden Monat 10 Millionen Mark zu, um die laufenden Defizite aufzufangen. In Brüssel laufen inzwischen zwei Verfahren wegen des Verstoßes gegen den Stahlbeihilfekodex. Insgesamt sind in den letzten vier Jahren 2,7 Milliarden Mark in dem von Kanzler Kohl zum industrieellen Kern erklärten Werk verschwunden. Lange machen die Wettbewerbshüter in Brüssel das nicht mehr mit.

Ohne den Bau einer Warmwalzanlage aber hat Eko überhaupt keine Chance, jemals wirtschaftlich zu arbeiten. Heute wird die technische Lücke dadurch aufgefangen, daß der Stahl zur Weiterverarbeitung nach Salzgitter oder ins Ruhrgebiet gefahren wird, um anschließend bei Eko fertig verarbeitet zu werden. Der Stahltransport kostet pro Tonne zwischen 60 und 70 Mark.