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Transrapid fährt durch die rot-grüne Koalition

■ Hessens SPD setzt „Ja“ zum Transrapid durch / Grüne: klarer Koalitionsbruch

Frankfurt/Main (taz) – Der Transrapid fuhr gestern in der hessischen Staatskanzlei mitten durch die rot-grüne Koalition. Im Kabinett überstimmten die Regierungsmitglieder von der SPD und Ministerpräsident Hans Eichel die fünf Regierungsmitglieder der Bündnisgrünen. Hessen wird nun bei der entscheidenden Abstimmung über den Transrapid am kommenden Freitag im Bundesrat mit „Ja“ votieren. Für die Bündnisgrünen ein „klarer Bruch der Koalitionsvereinbarungen“. Denn die schreiben bei divergierenden Einschätzungen der Partner die „Enthaltung“ als einzig zulässige Reaktion des Landes bei Abstimmungen im Bundesrat verbindlich fest.

„Ohne Not“ habe Eichel den Koalitionskrach vom Zaun gebrochen, sagte gestern die Sprecherin der Landtagsfraktion der Bündnisgrünen, Elke Cezanne. Denn auch ohne die Stimme von Hessen stehe im Bundesrat die Mehrheit für den Transrapid. Noch Anfang September hatte Umwelt- und Bundesratsminister Joschka Fischer die sich über der letzten rot-grünen Koalition auf Länderebene zusammenbrauenden schwarzen Wolken mit einer Handbewegung vom gedeckten Tisch im „Schwarzen Bock“ in Wiesbaden gefegt: „Der Transrapid wird nie gebaut werden“, orakelte Fischer. Und ein Problem für die sozial-ökologische Koalition in Hessen werde der „verdammte Zug“ schon gar nicht werden.

Doch Hans Eichel ist der Erhalt von rund 30 Arbeitsplätzen bei Henschel in Kassel – dort soll der Transrapid (vielleicht) einmal gebaut werden – offenbar wichtiger als der Koalitionsfriede in Wiesbaden. Mit der Union, der nordhessischen SPD und der IG-Metall im Nacken, wies der Ministerpräsident seinen Innenminister Böckel (SPD) schon vor drei Wochen an, im Vermittlungsausschuß (1.9.94) für den Transrapid zu votieren. Das brachte die Bündnisgrünen schier auf die Palme: Einen „Bruch des Koalitionsvertrages“ auf der entscheidenden Bundesratssitzung am 23. September, so die von der Basis auf einer Landesversammlung am 4. September verabschiedete Resolution, werde „nicht hingenommen“.

Nach der Entscheidung gestern im Kabinett stehen die Bündnisgrünen jetzt vor der Frage, wie sie angemessen auf diese „Provokation“ reagieren, so Cezanne. Daß er mit dem Koalitionspartner ein riskantes Spiel treibt, ist auch Eichel klargeworden. Um dem Thema die Spitze zu nehmen, nannte die Staatskanzlei die anstehende Bundesratsentscheidung zum Transrapid eine „politische Bagatelle“. Doch damit goß der Mann noch zusätzlich Öl ins Feuer. Es sei geradezu „verblüffend“, so der düpierte designierte Nachfolger von Joschka Fischer auf dem Umweltministersessel, Rupert von Plottnitz, daß die „Chefsache Transrapid“ nun plötzlich zur politischen Bagatelle erklärt werde: „Schön wär's ja, aber das Gegenteil ist der Fall.“

Auf einer Fraktionssitzung am vergangenen Montag war man sich bei den Bündnisgrünen einig, daß der „Fall Transrapid“ nicht zum Fallstrick für die Koalition werden dürfe – schon gar nicht kurz vor der Bundestagswahl. Doch hinnehmen wollen sie die Entscheidung von Eichel auch nicht. Was bleibt zu tun? Das – so sagt Elke Cezanne – soll am kommenden Sonntag der Parteirat entscheiden. Und der tagt wahrscheinlich themengerecht in Kassel. Klaus-Peter Klingelschmitt

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