Capri-Sonne auf St. Pauli

■ Tivoli: Premiere der 50er- Jahre-Revue „Fifty-Fifty“

Im Foyer des Tivoli raschelten die Petticoats der spitzbeschuhten Zigaretten-Mädchen: Einstimmung auf die Zeit, die die deutsche Kultur um so viele Dinge bereicherte: Oh Goldene Fünfziger! Die Vorbilder der Jugend sangen statt vom Selbstmord von sieben Mädeln, die sich einen Kerl teilten und statt mit Depressionen kämpfte die Frau mit Damenbinden.

Fifty-Fifty, die vierte Schmidt-Hausproduktion, die im Tivoli am Samstag Premiere hatte, erzählt von eben jenem „Trizonesien“, das bei den heutigen D-Land Bewohnern überheblich wohliges Schauern auslöst. Hausmeister Corny van Winkle (Corny Littmann höchstpersönlich), der 35 Jahre im Keller des Theaters im Koma lag, erwacht durch den infernalischen Lärm eines Tina Turner-Trios und beginnt, angewidert durch den offensichtlichen Verfall der Sitten, die Goldenen Fünfziger im wahrsten Sinne Revue passieren zu lassen.

Ganz wie in der sangesfrohen Wirtschaftswunderzeit entfaltet sich, in Szene gesetzt von Uwe Nielsen, ein Potpourrie aus all den Schlagern, die noch immer in unseren Herzen brummen. Schillernde Opal-Nylons, Tüten-BHs, Frigeo Brause und bügelfreie Kunststoffhemden – keine Konsum-Ikone des Nachkriegsdeutschlands fehlt. Frauen sind noch schüchtern oder von Berufs wegen lasziv und damit für die Ehe indiskutabel, Männer sind noch echte Beschützer und Ernährer. Brach auch der Korea-Krieg Mamor, Stein und Eisen – das glückliche Paar war sich treu und brauste unter den neidischen Blicken der Nachbarn mit der Isetta in den Sonnenuntergang bei Capri, und die Girls tanzten dazu.

Grell inszeniert und verhalten parodiert zog die bigotte Glückseligkeit das Publikum ganz in seinen Bann. Die zynischen Untertöne wurden überhört, die Gassenhauer aus voller Brust mitgeschmettert, so daß die gut geschulten Stimmen der Darsteller in der allgemeinen Euphorie untergingen. Hurra, wir leben noch, also auf in eine neue Runde.

Vera Schönfeld