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Angst vor Spätfolgen

■ Eltern wollen Kinder aus Dioxin-Kitas erneut untersuchen lassen / Behörde gibt kein Geld Von Sannah Koch

Dioxinverseuchte Kindertagesstätten in Hamburg – vor acht Jahren eine Entdeckung, die hohe Wellen schlug. Nach Eltenprotesten wurde eine Untersuchung bei 400 Kindern durchgeführt und die durch Holzschutzmittel vergifteten gebäude abgerissen oder vollständig saniert. Doch bis heute ist unklar, ob die Gesundheit der Kinder nachhaltig durch die Dioxine geschädigt worden ist. Für einen erneuten Check stellt die Behörde bislang kein Geld zur Verfügung.

Schon damals hatten die Eltern eine Langzeitstudie gefordert, um die Auswirkungen auf die Gesundheit ihrer Kinder zu erforschen. Schon die erste Untersuchung hatte Beunruhigendes zutage gefördert: Die 1991 vorgelegte Studie ergab, daß von 43 erhobenen Laborwerten bei den Kindern 34 signifikant verändert waren. Konkrete Erkrankungen wurden jedoch nicht festgestellt.

„Jetzt müßten die damals drei- bis siebenjährigen Kinder erneut untersucht werden“, forderte Dr. Wilfried Karmaus, der an der ersten Studie mitgearbeitet hatte, gestern bei einer GAL-Pressekonferenz. Eine Überprüfung der kritischen Laborwerte könnte nun Hinweise geben, ob möglicherweise mit Langzeitschäden zu rechnen ist.

Doch die Gesundheitsbehörde zeigt sich sperrig: Im Haushalt 1995 seien keine Mittel für eine Fortführung der Studie vorgesehen, erklärte jedenfalls der GAL-Abgeordnete Peter Zamory. Und das, obwohl die Elterninitiative seit Sommer vergangenen Jahres eine neuerliche Untersuchung der Kinder einklagt. Immerhin gelang es ihr, das eindeutige „Nein“ der Behörde in ein uneindeutiges „Vielleicht“ zu ändern . Doch nach dem Willen der Behörde soll eine Expertenkonferenz über die Fortführung befinden. Wann diese tagen und wer die Kosten dafür tragen wird, ist völlig unklar.

Keine neue Erfahrung für die Vertreter des Elternbeirats, die sich mittlerweile zu Profis in diesem „Geschäft“ gemausert haben. Wie Irmtraud und Günter Bosien – sie arbeiteten vier Jahre lang im „Kooperationsmodell Hamburger Kindergartenstudie“ mit. Ein Modell, das die Elten erstritten hatten: Mit weitgehenden Mitsprache- und Vetorechten ausgestattet, verhandelten sie mit Behördevertretern und Wissenschaftlern um Inhalte und Methoden der Untersuchung. „Es war ein Wagnis, aber es hat funktioniert“, sagt Günter Bosien heute. Ohne die Kooperation wäre die Studie nach seiner Einschätzung schnell und heimlich zu Grabe getragen worden.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben die Bosiens und Wilfried Karmaus jetzt in einem Buch niedergeschrieben: „Bürger wehren sich – Tips für erfolgreiche Bürgeropposition“. Ein Ratgeber über Chancen und Risken von Kooperationsmodellen und über die Fallstricke der modernen Risiko-Minimierungsstrategien in Verwaltung und Politik.

Das Buch ist für 15 Mark zu beziehen bei die Landesgeschäftsstelle der Grünen, Bahrenfelder Str. 244, 22 765 Hamburg.

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