Bombenanschlag auf die FDP-Zentrale

■ Sachschaden nach Sprengung einer selbstgebauten Bombe / Siebenseitiger Bekennerbrief

Ein böses Erwachen hatte gestern die Bremer FDP: Eine Mitarbeiterin der Partei fand morgens eine Plastik-Mülltüte mit Feuerlöscher, einem Kofferradio und einem tickenden Wecker vor der Souterrain-Tür der Geschäftsstelle in der Elsasser Straße in Schwachhausen. Die Frau vermutete einen Sprengsatz und rief die Polizei.

Ein „Selbstlaborat“, bestätigten die Beamten, die zusammen mit einem Sprengstoffexperten kamen. „Bei selbstgebastelten Bomben weiß man ja nie“, sagt Polizeipressesprecher Beier. Da der Sprengmechnismus nicht kalkulierbar gewesen sei, entschloß sich die Polizei, die Bombe vor Ort zu sprengen. Gegen 10 Uhr detonierte daher die Bombe direkt im Kellereingang des FDP-Büros. Dabei gingen einige Scheiben zu Bruch, Menschen wurden nicht verletzt.

In unmittelbarer Nähe fand die Polizei ein Bekennerschreiben, penibel verpackt in eine Kunststoffolie. Auf sieben eng mit Schreibmaschine beschriebenen Seiten versucht der Text einen Bezug zur Roten Armee Fraktion herzustellen. „Dem Kollektiv der 12 Gefangenen aus der RAF schicken wir Liebe und Kraft“, endet das Papier. Das bei RAF-Bekennerschreiben übliche Emblem – der RAF-Stern mit Maschinengewehr – fehlt aber auf dem Brief. „Das ist auf keinen Fall ein RAF-Schreiben“, sagte Verfassungsschutz-Sprecher, Lothar Jachmann. Ausführliche Ausführungen zu der Politik der FDP in Bremen mit akribischer Angabe unwesentlicher Daten deuten zumindest darauf hin, daß die Verfasser lokale Zeitungs-Ausschnitte gesammelt haben. „Im noblen Bremer Stadtteil Schwachhausen – der Stadtteil heißt wirklich so“ erklären die AutorInnen dem offenbar außerhalb Bremens vermuteten Publikum des Bekennerschreibens.

Akribisch wird die FDP Landes- und Bundespolitik der vergangenen Jahre dokumentiert und aus „antiimperialistischer Perspektive“ bewertet. Bundeswirtschaftsminister Rexrodt sei für die „Ausgestaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems“ verantwortlich, glauben die VerfasserInnen, Leutheusser-Schnarrenberger für „die Staatsgeiseln aus der Roten Armee Fraktion“. Dem Bremer Innensenator van Nispen werfen die BekennerInnen „Eskalation der rassistischen Politik in Bremen“ vor. „Neben den Flüchtlingen richten sich die von van Nispen veranlaßten Bullenangriffe besonders gegen Obdachlose, KonsumentInnen illegalisierter Drogen und Prostituierte“, schreiben sie. Schließlich habe er neues Gerät für Polizeibeamte beschafft und das Revier Findorff „jetzt für 1,5 Millionen DM erneuern lassen“.

Die Aktion sei bewußt in Bremen durchgeführt worden, erklärt der Bekennerbrief, da zum 3. Oktober „die offizielle nationalistische Einheitsfeier“ hier stattfinde. In Bremen werde sich „antiimperialistische Fundamentalopposition gegen den BRD-Staat u.a. in der militanten Auseinandersetzung mit der von den herrschenden Parteien vertretenen Politik ausdrücken“.

Die Polizei geht davon aus, daß die Sprengladung bereits am Wochenende vor dem FDP-Büro abgelegt wurde. Unklar ist, warum die Bombe nicht hochging. Haiko Camphausen, Landesgeschäftsführer der FDP, nahm die explosive Tüte gelassen. „Man kann sich doch auch anders auseinandersetzen und muß sich nicht mit Bomben beharken“, findet er. In Deutschland habe sich das aber nicht um eine „konzertierte Aktion gegen die FDP“ gehandelt. Er wunderte sich gestern, daß die Bombe nicht vor dem Haupteingang der FDP lag, sondern vor dem Kellereingang zu den Büros der Bürgerschaftsfraktion. „Es gehen doch sowieso alle oben durch“, sagt er.

In Bremen gab es schon einmal einen Versuch mit einer selbstgebastelten Bombe: 1970 verletzte sich ein jugendlicher Bombenbastler in der Pappelstraße in seiner Wohnung selbst, als die Ladung hochging. Er wurde später zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Mit in der Pappelstraße wohnte damals Andreas Vogel, der heute in Frankfurt in der RAF-Solidaritätsarbeit steckt. Aufgrund von Kontakten zwischen der Frankfurter Gruppe und Bremer Initiativen-Kreisen kam es in der vergangenen Woche zu einer Veranstaltung am Leibnizplatz mit Vogel. fok