„Klasse gegen Klasse“ meldet sich zurück

■ Bekennerschreiben zum Brandanschlag auf Mompers Auto / Weiterer Anschlag am 10. September in Zehlendorf

Nach mehrmonatiger Abstinenz melden sich die Kreuzberger Untergrundkämpfer von „Klasse gegen Klasse“ zurück. Wie aus einem gestern bei der taz eingegangenen Bekennerschreiben hervorgeht, geht der Brandanschlag auf den Audi 100 des ehemaligen Regierenden Walter Momper auf das Konto der selbsternannten „Klassenkämpfer“. Bereits am 10. September verübten sie einen Sprengstoffanschlag auf das Wohnhaus eines Neuköllner Hauseigentümers in Zehlendorf. Dabei wurden mehrere Scheiben zerstört, verletzt wurde niemand.

In der Erklärung zum Brandanschlag auf Mompers Auto heißt es, der frühere SPD-Chef symbolisiere „ganz vortrefflich die verlogene Moral einer Mehrheit der ,gehobeneren‘ Mittelschicht nicht nur in Kreuzberg“. Momper, verantwortlich für die Räumung der Mainzer Straße im November 1990, habe sich durch seinen Einstieg in die Immobilienbranche zum treuen Handlanger der Baumafia gemacht. Weiter heißt es, Mompers Wohnort in der Kreuzberger Fichtestraße sei wie die Gegend um das Paul-Lincke-Ufer die Adresse für das „Mittelschichtspack in Kreuzberg“.

Jene „Profiteure der Umstrukturierung“ sind es, denen „Klasse gegen Klasse“ den Kampf angesagt hat. Seit Mitte 1992 macht die Gruppe, gegen die eine 42köpfige Sonderkommission der Polizei erfolglos ermittelt, mit Anschlägen gegen die „Protagonisten der sozialen Durchmischung proletarischer Stadtteile“ von sich reden: Auf ein angebliches „Schicki-Micki“-Lokal in der Köpenicker Straße wurde ein Handgranatenanschlag verübt, ein italienischer Feinkostladen in der Skalitzer Straße wurde unter Androhung des „finalen Endes“ aufgefordert, den Kiez zu verlassen.

Von Anfang an waren auch SPD-Politiker im Visier von „Klasse gegen Klasse“. Der erste Anschlag der Gruppe überhaupt traf den Wagen des Neuköllner SPD-Manns Buschkowsky im Mai 1992. Und der Kreuzberger SPD- Bürgermeister Peter Strieder bekam zuletzt gar eine Morddrohung. Doch das selbsterklärte Ziel von „Klasse gegen Klasse“, für ein proletarisch-sauberes Kreuzberg zu kämpfen, hat die Gruppe von Anfang an in der autonomen Szene isoliert. Mehrere Drohbriefe gegen Dachgeschoßbewohner und Kleingewerbetreibende in der Kreuzberger Oranienstraße führten nicht zuletzt wegen der teilweise antisemitischen Sprache zu einer breiten Solidarisierung im Kiez gegen die Kadertruppe.

Dennoch kann sich „Klasse gegen Klasse“ der Medienwirksamkeit ihrer Aktionen sicher sein. Nach einer Serie von Anschlägen, darunter auf das Haus des Leiters des Kreuzberger Stadtplanungsamts, beschäftigte sich der Bundestag mit der Kiez-Guerilla. Bislang 43 Anschläge habe die Gruppe verübt, räumte die Bundesregierung im Herbst letzten Jahres auf eine Anfrage der CSU ein. Zuletzt wurden im Mai dieses Jahres in Kreuzberg und Neukölln neun Autos abgefackelt. Zur Begründung hieß es, die Besitzer seien „Karrieristen“ und Profiteure der Umstrukturierung. Uwe Rada