Bär bleibt Bär, UNO bleibt arm

■ Reden Jelzins und Clintons eröffnen New Yorker UNO-Vollversammlung

New York (AP/dpa/taz) – Mit Spannung sind gestern in New York die Ansprachen der Präsidenten Amerikas und Rußlands, Bill Clinton und Boris Jelzin, vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen erwartet worden. Wie die Moskauer Nachrichtenagentur ITAR-TASS andeutete, war mit einer neuen Abrüstungsinitiative Jelzins zu rechnen, die auch ein Produktionsverbot für waffenfähige spaltbare Materialien enthalten sollte. Danach sollten die Ausführungen Jelzins auf der Prämisse basieren, daß echte nukleare Abrüstung die überprüfbare Eindämmung atomaren Wettrüstens überall auf der Welt verlange. Deshalb müßten alle Atommächte für die Sicherheit ihrer respektiven Anlagen sorgen. In Anbetracht des jüngsten Plutoniumschmuggels aus Rußland will Jelzin daher anregen, die Herstellung von waffenfähigem spaltbaren Material generell zu unterbinden. Materialien, die infolge der nuklearen Abrüstung freigesetzt würden, dürften keinesfalls zu neuen Waffen verarbeitet werden. Gelagertes Nuklearmaterial müßte vernichtet werden. Jelzin wird in New York außerdem mit UNO-Generalsekretär Butros Ghali und mit Vertretern der amerikanischen Industrie zusammentreffen. Dannach fliegt er nach Washington zum fünften russisch-amerikanischen Gipfeltreffen. Dabei will der russische Präsident darauf drängen, daß sein Land als Großmacht und gleichberechtigter Partner der USA anerkannt wird. „Wir müssen unsere Partnerschaft ausbalancieren und stimmen darin mit der amerikanischen Seite überein“, behauptete Jelzin vor seiner Abreise in Moskau. Den Verhandlungen mit den USA solle „eine andere Richtung als früher“ gegeben werden. Beobachter rechnen damit, daß Jelzin auf die US-amerikanische Militärintervention in Haiti verweist, um eigene Eingreifansprüche in den GUS-Republiken zu untermauern.

Clinton wollte in seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung dagegen für eine Begrenzung von Militärinterventionen in Krisengebieten plädieren. Während mit einer eindeutigen Verteidigung der Intervention in Haiti gerechnet wurde, wurde ebenfalls eine Wiederholung der mehrmals geäußerten Überzeugung Clintons erwartet, daß Invasionen dieser Art nicht zur Regel gemacht werden sollten.

Mindestens 178 Redner werden sich in den kommenden Wochen an die Vollversammlung wenden, in der 184 Staaten vertreten sind. Zu den Themen der Generaldebatte zählen neben Friedenssicherung und den Konflikten in Haiti, Bosnien, Ruanda, Somalia und Liberia auch die Emanzipation der Frau, Haushaltsprobleme der Vereinten Nationen und die mögliche Erweiterung des Sicherheitsrates, wobei Deutschland und Japan im Mittelpunkt stehen. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Vollversammlung ist die Reform des Finanz- und Beitragssystems der Weltorganisation. Angesichts der Zunahme der weltweiten Blauhelm-Missionen ist die UNO in eine akute Finanzkrise geraten. Das bisherige Beitragsschema soll deshalb geändert werden und sich zukünftig am Bruttosozialprodukt anstatt am Bruttoinlandsprodukt orientieren. Das bedeutet, daß Länder mit großen Einnahmen aus dem Außenhandel stärker zur Kasse gebeten werden, also vor allem die reichen Ölstaaten. Für die Westeuropäer, die für 30 Prozent des UN-Haushalts aufkommen, würde sich danach nichts ändern, während sehr arme Länder entlastet werden.

Zur Teilnahme an der Vollversammlung flog gestern Außenminister Klaus Kinkel nach New York. Der FDP-Chef will als derzeitiger EU-Ratspräsident heute die künftige Haltung der Europäer zu den Vereinten Nationen darlegen. Eher am Rande wird es bei Kinkels Gesprächen mit Amtskollegen aus aller Welt auch um die deutschen Ambitionen auf einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat gehen, nachdem sich die Bonner Hoffnung zerschlagen hat, damit rasch zum Ziel zu kommen.