piwik no script img

■ Der Außenminister soll eine Demo verhindert habenKinkel rastet aus

Wenn es einem Menschen so richtig schlecht geht, wenn er deprimiert ist über Niederlagen, niedergeschlagen wegen persönlicher Anfeindungen, bedrückt durch einen privaten Trauerfall, dann kann er schon mal ausrasten. Politiker sollen sich ständig in ihrer Gewalt haben. Emotionen werden nur kalkuliert eingesetzt. Staatsmännisches Auftreten macht den Staatsmann aus. Nun aber ist Klaus Kinkel ausgerastet. Glaubwürdigen Berichten zufolge reagierte der Bundesaußenminister mit einem Wutausbruch, als er erfuhr, daß vor einer internationalen Konferenz in Karlsruhe eine genehmigte Demonstration stattfinden sollte.

Klaus Kinkel hat jede Entschuldigung dafür, daß er sich einmal nicht in der Gewalt hatte. Kein Kommentar, wenn der Mann Sektgläser umgeschmissen oder Partei„freunde“ geohrfeigt hätte. Das wäre bestenfalls eine Glosse wert. Doch sein Ausfall von Karlsruhe sagt über Kinkel etwas ganz anderes. Zielscheibe seiner Anfeindungen wurden eben nicht Parteikollegen oder Mitarbeiter. Es war eine Demonstration von Menschenrechtlern, die ihn in Rage versetzte. Diese Rage sorgte offenbar dafür, daß am letzten Freitag in Karlsruhe mal kurz das Demonstrationsrecht außer Kraft gesetzt worden ist. Der Vorsitzende der Partei, die vorgeblich die liberalen Grundsätze in diesem Land hochhalten und unter anderem am 16. Oktober deswegen gewählt werden will, sorgt in der Praxis dafür, daß just das Gegenteil passiert. Was ist glaubwürdiger: ein FDP-Parteiprogramm oder Klaus Kinkel in Aktion?

„Indonesien: 19 Jahre Völkermord in Osttimor“ war die Aufschrift auf einem der Transparente, die in Karlsruhe nicht gezeigt werden durften. Es ist nur ein paar Monate her, als Bürgerrechtler am Brandenburger Tor in Berlin den chinesischen Staatschef und Verantwortlichen für das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens, Li Peng, vertrieben. Damals machte auch die Bundesregierung anschließend deutlich, daß es in diesem Land gewisse demokratische Grundfreiheiten gibt, die ein Staatsbesucher zu akzeptieren habe. Aber damals war auch nicht Klaus Kinkel für die Genehmigung der Demonstration verantwortlich.

Wenn es einem Menschen so richtig schlecht geht, wenn er seine Emotionen nicht mehr kontrollieren kann, dann beginnt er Fehler zu machen. Kinkels Auftreten in Karlsruhe sagt mehr als 15 FDP-Pressekonferenzen. Klaus Hillenbrand

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen