piwik no script img

Geringe Strafe für Kindesmißbrauch

■ Einschlägig Vorbestrafter wurde nur zu dreieinhalb Jahren verurteilt

„Ich glaube nicht, daß mir das noch einmal passiert“, entgegnete der Angeklagte auf die Vorhaltung der Anwältin, daß er schon dreimal wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern verurteilt worden war.

Im gestrigen Prozeß gegen den ehemaligen Fremdenlegionär Werner H. wegen sexuellen Kindesmißbrauchs legte die Staatsanwaltschaft dem 55jährigen zur Last, zwischen 1992 und 1994 zwei Mädchen und einen Jungen in dreizehn Fällen mißbraucht zu haben. Die zur Tatzeit neun, zehn und elf Jahre alten Kinder weisen nach Aussagen ihrer Mutter seitdem Verhaltensstörungen auf. „Früher war meine Jeniffer ein sehr fröhliches und lebhaftes Kind. Heute lacht sie kaum noch und wirkt oft in sich gekehrt“, sagte die als Zeugin geladene Mutter.

Die Hausfrau hatte den Angeklagten damals im Treptower Park kennengelernt. Später habe er sie, ihren Mann und die Kinder häufiger eingeladen und sei allmählich ein enger Freund der Familie geworden. Nachdem seine Wohnung bei einem Brand unbewohnbar geworden war, lebte er zeitweilig bei der Familie S. Und so sei es auch weiter nicht ungewöhnlich gewesen, daß die Kinder öfter bei ihm übernachteten. Daß sich „Onkel Werner“ schon bald an den Kindern verging, ahnte die Mutter nicht. Erst im Mai 1994, als die Kinder wieder einmal bei Werner H. übernachten sollten, erzählte das älteste Mädchen, daß er ihr „an der Muschi geleckt hat“. Die Mutter mochte es zunächst nicht glauben. Doch als auch ihre jüngste Tochter schilderte, daß der Onkel sogar seinen „Puller in die Muschi gesteckt hat“, alarmierte sie die Polizei. Der arbeitslose Werner H., der in der Vergangenheit bereits in drei Fällen zu insgesamt mehr als fünf Jahren wegen sexuellen Kindesmißbrauchs verurteilt worden war, wurde sofort verhaftet und gab den Kindesmißbrauch weitestgehend zu. Allerdings leugnete er, mit dem Jungen Analverkehr praktiziert zu haben, obwohl dieser das bei der Polizei ausgesagt und sich häufig über Schmerzen im Rektalbereich beklagt hatte.

Die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Sachs wollte den Kindern die Aussage vor Gericht ersparen und stützte sich auf die Aussagen des Angeklagten. Dieser räumte indes nur das ein, was ihm die Kammer ohnehin nachweisen konnte. Dennoch wertete sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht seine Aussagebereitschaft als strafmildernd. Strafmildernd wirkte sich auch sein Hang zum Alkoholismus aus. Der Staatsanwalt plädierte für eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, wies aber darauf hin, daß bei erneuter Straffälligkeit eine Sicherungsverwahrung ins Auge gefaßt werden müsse. Die Kammer verurteilte Werner H. zu dreieinhalb Jahren. Rechtsanwältin Sonja Schlecht, Nebenklägerin für die mißbrauchten Kinder, sagte nach der Urteilsverkündung zur taz: „Im Verhältnis zu Eigentumsdelikten sind die Strafen für Sexualverbrechen geradezu geringfügig.“ Peter Lerch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen