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Erste Anerkennung des Widerstands auf Timor

■ Erstmals seit der indonesischen Besetzung Osttimors im Jahre 1975 treffen sich heute in New York Vertreter Jakartas und des timoresischen Widerstands

Ein Hoffnungsschimmer für Osttimor: Erstmals seit 1975 treffen sich heute offiziell Vertreter der Regierung Indonesiens und der timoresischen Befreiungsbewegung im Exil. Auf Vermittlung der UNO wollen sich Außenminister Ali Alatas und eine Delegation um José Ramos Horta vom Nationalrat des Timoresischen Widerstands (CNRM) in New York an einen Tisch setzen. Ganz oben auf der Tagesordnung wird die Forderung nach unmittelbarer Freilassung von Xanana Gusmao stehen, dem Führer des osttimoresischen Widerstands. Der 1992 inhaftierte Gusmao sei der „wirkliche Verhandlungspartner Indonesiens“, sagte Horta am Wochenende auf einer internationalen Konferenz zu Osttimor in der westdeutschen Stadt Iserlohn.

Auch wenn die indonesische Regierung das New Yorker Treffen vor allem dazu nutzen wollte, die internationale Kritik an ihrer Timor-Politik zu besänftigen – die Begegnung stelle doch „die erste ausdrückliche Anerkennung des Widerstandes dar, deren Vertreter sie stets nur als Terroristen bezeichnet haben“, meinte Horta. Von den 600.000 Menschen, die in Osttimor lebten, als das indonesische Militär die ehemalige portugiesische Kolonie 1975 besetzte und ein brutales Regime errichtete, sind bis heute etwa 200.000 Menschen umgekommen. Und die Menschenrechtsverletzungen gehen weiter, wie amnesty international erst vor wenigen Tagen erneut dokumentierte.

Horta stellte einen Dreistufenplan zur Lösung des Osttimor- Konflikts vor: Danach soll die Region zunächst unter UNO-Aufsicht entmilitarisiert werden, und die politischen Gefangenen sollen freigelassen werden. Der zweite Schritt führte dann über Autonomie und die Einführung demokratischer Institutionen zum dritten – der Selbstbestimmung, möglicherweise auf der Basis eines Referendums. „Dieser Plan läßt Indonesien die beste Chance für einen würdevollen Abzug“, sagte Horta. „Es wird bedeutende Fortschritte in den nächsten drei bis fünf Jahren geben“, meinte Horta. Begründung: Die indonesischen Politiker werden ihre ganze Energie für andere Dinge brauchen. Die Zeit läuft ab für Indonesiens Staatschef Suharto, der sein Land seit über 27 Jahren beherrscht. Wer sein Nachfolger wird, ist noch nicht klar. Viele glauben jedoch, daß es zu bedeutenden Machtverschiebungen kommen wird.

Bei der Timor-Konferenz vom Wochenende wurde deutlich, daß es eine wachsende Offenheit und Selbstbewußtsein unter den Bürgerrechtsgruppen gibt, die ihre Basis in Indonesien haben und sich für Osttimor einsetzen. Das ist neu: Jahrelang hatten der lange Arm der indonesischen Geheimpolizei und die offizielle Propaganda aus Jakarta verhindert, daß sich eine Solidaritätsarbeit innerhalb Indonesiens entwickeln konnte.

Dieses Mal jedoch waren AktivistInnen mehrerer Gruppen aus Jakarta und der Stadt Yogjakarta zugegen und forderten gemeinsam das Recht auf Selbstbestimmung des timoresischen Volkes. Sie riefen die europäischen Staaten zugleich dazu auf, ihre Hilfe, den Handel und die Rüstungsexporte nach Indonesien einzufrieren. „Im vergangenen Jahr hat Indonesien westliche Hilfe im Wert von fünf Milliarden US-Dollar erhalten“, sagte Horta gegenüber der taz. „Wir fordern, die Gewährung weiterer Hilfe davon abhängig zu machen, daß es einen konkreten Fortschritt für Osttimor gibt. Aber ich bin nicht optimistisch. Außer Portugal und Irland, das Sanktionen gefordert hat, sehen die anderen Staaten ihre wirtschaftlichen und strategischen Beziehungen als wichtiger an. Und dennoch gibt es viele eindeutige UNO-Resolutionen, die zum Handeln auffordern – da herrscht doch eine erstaunliche Doppelmoral!“ Die über 110 KonferenzteilnehmerInnen forderten zudem die Bonner Regierung auf, unverzüglich die deutschen Waffenlieferungen in das südostasiatische Land zu stoppen, bis die Menschenrechtsverletzungen in Osttimor beendet sind. 1993 war Kriegsmaterial aus Deutschland im Wert von 276,18 Millionen Mark nach Indonesien gegangen. Zu den jüngsten Deals gehört der umstrittene Verkauf von 39 Kriegsschiffen der ehemaligen DDR-Marine.

Innerhalb von Osttimor gibt es neue Formen des Widerstands, meint George Aditjondro, der als Universitätsdozent in Indonesien arbeitet und zu den bekanntesten Kritikern der Timor-Politik seines Landes zählt. „Die Präsenz des Militärs und die Unterdrückung in Osttimor wachsen. Trotzdem nimmt auch der Widerstand gegen die indonesische Herrschaft zu, er ist nicht nur unter den bewaffneten Kämpfern in den Bergen und im oppositionellen Untergrund zu finden, sondern auch in der Kirche, in den Medien und sogar unter jenen, die aus Jakarta geschickt wurden und anfänglich noch hundertprozentig hinter einer Integration Osttimors in Indonesien standen“, sagte Aditjondro in Iserlohn.

Organisiert hatten diese Konferenz die Bochumer Südostasien- Informationsstelle gemeinsam mit der Universität von Porto, Portugal, und den in den Niederlanden ansässigen Internationalen Juristen für Osttimor. Die Teilnehmer verurteilten auch die Haltung von Außenminister Kinkel, der beim Treffen der EU-Außenminister mit ihren Amtskollegen aus den sechs südostasiatischen Asean- Staaten im September eine Mahnwache für Osttimor verhindert hatte. Hugh Williamson

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