„Autofahrer, schaut auf diese Straße!“

■ Betroffenen-Initiative protestierte gegen Neubaupläne der Ebertsbrücke

Wovon Verkehrssenator Herwig Haase nur träumen kann, gelang gestern rund zwanzig Spaßvögeln der „Betroffenen-Initiative Spandauer Vorstadt“. Unter dem Jubel erregter Autonarren, mit feierlichen Ansprachen und dem Durchschneiden des erst lange blockierenden Bandes eröffneten sie den „Autobahnabschnitt Tucholskystraße“ an der Ebertsbrücke zwischen der Oranienburger Straße und der Straße am Weidendamm. „Autofahrer, schaut auf diese Straße!“ rief Ronald Wingen von der Initiative den hupenden Bleifüßlern zu. Nur wer für den Abriß des historischen Berliner Viertels sei, dürfe auf „der neuen Autobahn“ weiterfahren.

Die spaßige Blockade hat einen ernsten Hintergrund. Seit die Ebertsbrücke vom Senat 1992 als „Provisorium“ für den Zeitraum des Umbaus der Weidendammer Brücke eingerichtet wurde, rasen täglich Tausende PKW, Busse und tonnenschwere Lastwagen durch die engen Altstadtstraßen zur Brücke, sagte Wingen zur taz. Der autobahnähnliche Nord-Süd-Verkehr habe nicht nur Lärm und stinkende Abgase in den Kiez gebracht, sondern auch Schäden an der Bausubstanz hinterlassen, so die Denkmalschützerin Eichler. Ronald Wingen: „Der Charakter des Quartiers und die Anwohner der Tucholskystraße werden vom Verkehr über die Ebertsbrücke regelrecht überrollt.“

Besonders ärgert die Initiative, daß nach der gerade erfolgten Wiedereröffnung der Brücke am Weidendamm, das „Provisorium“ nicht, wie erhofft, abgebaut, sondern durch einen endgültigen Brückenneubau ersetzt werden soll. „Die gegenwärtige Situation dürfte sich dann noch verschlimmern“, mutmaßt Ronald Wingen. Das „hochehrwürdige“ ehemalige jüdische Viertel würde dann ganz der Verkehrsplanung geopfert.

Die Senatsverwaltungen für Bauen sowie für Verkehr bestätigten die Absicht, die Ebertsbrücke zum festen Bestandteil der hauptstädtischen Verkehrsplanung werden zu lassen. Im Rahmen der Verkehrsentwicklung sei vorgesehen, die Tucholskystraße neben der Friedrichstraße als zusätzliche Nord-Süd-Verbindung zwischen der Straße Unter den Linden und der Oranienburger Straße auszubauen. Es lägen zwar noch keine fertigen Pläne in der Schublade, sagte der zuständige Brückenbau- Referent Nymior. Doch nach der Rekonstruktion der Marschallbrücke 1998 beginne der Neubau der Ebertsbrücke. Rolf Lautenschläger