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Cédras nimmt Abschied von der Insel

■ Haitis Putschistenchef kündigt seinen Rücktritt an / Der General will ins Exil nach Panama

Port-au-Prince/Berlin (dpa/taz) – Bis zuletzt hielt Raoul Cédras an der Fiktion fest, er diene seinem Vaterland. „Ich habe bschlossen, unser Land zu verlassen, damit meine Anwesenheit nicht zu einem Vorwand für Terrorakte wird“, erklärte der oberste Soldat und Putschistenführer Haitis gestern in der Hauptstadt Port-au- Prince seinen seit Tagen erwarteten Rücktritt. Und während die meisten Diktatoren geordnet aufsteigen und in Unordnung fallen, plant Cédras, der sich am 30. September 1991 blutig an die Macht putschte, zum Rücktritt eine Militärzeremonie.

Cédras' Rücktritt, dem sich Oberbefehlshaber Philippe Biamby anschließt, beendet drei Jahre Militärherrschaft. Nun wird einige Tage lang der US-amerikanische General Hugh Shelton zum auch formal stärksten Mann des Karibikstaates, bevor voraussichtlich am kommenden Samstag der einst demokratisch gewählte und von Cédras gestürzte Jean-Bertrand Aristide an Bord eines bolivianischen Flugzeuges als Sieger von Gnaden der USA in sein Heimatland zurückkehrt.

Die Rücktritte von Cédras, Biamby und dem Polizeichef Joseph François waren in dem Abkommen zwischen Haitis Marionettenpräsident Emile Jonassaint und dem US-amerikanischen Ex-Präsidenten Jimmy Carter bis zum 15. Oktober vereinbart worden. François setzte sich bereits vor einer Woche in die Dominikanische Republik ab. Die Schicksale von Biamby und Cédras wurden in Gesprächen mit General Shelton und anderen US-Militärs am vergangenen Sonntag besiegelt. Bereits am Vortag hatte Aristide in Washington eine Delegation hoher haitianischer Offiziere empfangen. Das Ergebnis: Wenn Aristide nach Haiti kommt, wird er seinen Armeechef gleich mitbringen; vermutlich wird das Oberst Mondesir Beaubrun. Er wird als erstes die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen aus der Armee entfernen und dann mit US-Kooperation neue, kleinere Streitkräfte aufbauen.

Cédras selbst wird voraussichtlich samt Familie bis zum Donnerstag nach Panama ausreisen, das ja bereits eine US-Besatzung hinter sich hat. Das reduziert die Dauer eines potentiell gefährlichen Machtvakuums in Haiti auf ein Minimum. In den letzten Tagen haben wiederholt Anhänger der Militärdiktatur – sogenannte Attachés – Pro-Aristide-Demonstrationen gestört; zuletzt kamen im Ort Dimizaine vierzehn Menschen ums Leben, als ein Lastwagen in einen Demonstrationszug fuhr. Aristide verlangt weiterhin von den Amerikanern, die Aktivisten der das Militärregime stützenden „Fortschrittsfront“ FRAPH zu entwaffnen. US- Politiker fürchten sich ihrerseits eher vor dem angeblichen Chaos, das auf Aristides Machtübernahme folgen soll.

Cédras geht in der bisher nur von wenigen Haitianern geteilten Gewißheit, daß die Vergangenheit seines Landes besser war als die unmittelbare Zukunft. „Eure Zukunft mag trübe scheinen“, sagte er in seiner Rücktrittsankündigung an eine johlende Menschenmenge vor dem Armeehauptquartier. Dann sprach er doch noch von Dingen, die er seinen Landsleuten bisher vorenthielt: „Am Ende des Tunnels wird ein Land sein, das gefestigt und wohlhabend sein wird und in dem ihr ein lebenswertes Leben führen könnt.“ D.J.

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