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Verfassungsbeschwerde gegen „Plutonium-Urteil“

■ Rechte eines Hanauers mißachtet

Frankfurt am Main (taz) – Die Rechtsanwälte Matthias Seipel und Hans Neumann haben in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen das sogenannte Plutonium- Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Berlin vom 9. August eingelegt. Nach Auffassung der Anwälte haben die Verwaltungsrichter bei ihrer Entscheidung für den Weiterbau der neuen Putoniumfabrik von Siemens in Hanau die Rechte eines Klägers in grundgesetzwidriger Weise mißachtet. Darüber hinaus sei von den Richtern in Berlin das Atomgesetz „einseitig“ interpretiert worden.

Das BVerwG in Berlin hatte seinerzeit einem Kläger die Klagebefugnis abgesprochen, weil der Hanauer Bürger nicht ausdrücklich auf die gefährliche Wechselwirkung zwischen dem Neubau und der zum Klagezeitpunkt noch in Betrieb befindlichen Altanlage hingewiesen habe.

Diese Entscheidung wird von den Anwälten heute als eine unzulässige „Erweiterung der Darlegungslast“ gewertet und als „Widerspruch“ zum grundgesetzlich garantierten Recht auf Schutz von Leben und Gesundheit (Art.2.2) bezeichnet. In einer weiteren Begründung für ihre Verfassungsbeschwerde bezogen sich die Anwälte gestern in Hanau darauf, daß die Bundesverwaltungsrichter in Berlin den im Atomgesetz festgeschriebenen Teilsatz „eine Atomanlage zu errichten und zu betreiben“ einseitig auf den Endausbauzustand der Atomanlage beschränkt hätten.

Obgleich in mehreren Kommentaren die Gefahren, die aus der Errichtung und aus dem Betrieb einer Atomanlage resultieren, als „gleichwertig“ benannt worden seien, habe das BVerwG die Rechte der Kläger auf die Gefahr nur des Betriebes einer Atomanlage beschränkt. Da aber die neue Hanauer Plutoniumfabrik bei laufendem Betrieb der Altanlage umgebaut werden sollte, müsse ein Kläger auch berechtigt sein, sich gegen Gefahren, die vom Bau einer Anlage ausgehen, zur Wehr zu setzen – etwa gegen das Herabstürzen von Lasten oder das Umstürzen eines Baukrans auf die in Betrieb befindliche Altanlage. Klaus-Peter Klingelschmitt

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