Half Bremens Kripo beim Denunzieren?

■ Steintor-Ermittler war an „Focus“-Story beteiligt

Welche Rolle hat die Bremer Kripo dabei gespielt, daß der „Focus“ unbewiesene schwere Beschuldigungen über einen Bremer Kurden drucken konnte? Ohne die Mithilfe eines aufmerksamen taz-Lesers wäre diese Frage (vgl. taz vom 7.10.) wohl nie geklärt worden. Doch nun ist bekannt, wer der Mann mit dem Augenbalken auf einem Foto ist, das das Münchener Magazin Ende September mit der Unterzeile „Brutaler PKK-Kassierer: Bremer Kurde Sait Bilgin“ druckte. Es handelt sich um den Kripo-Beamten S., Mitglied der „Sonderermittlungsgruppe Drogenkriminalität“ im Brommyplatz-Revier, die vor zwei Jahren bundesweit mit dem Vorwurf in die Schlagzeilen gekommen war, verhaftete Ausländer zu mißhandeln.

Die Bremer Kripo hatte zuvor fünf Monate lang abgestritten, etwas mit der im „Focus“ abgebildeten Szene zu tun zu haben. Am 7. April waren abends gegen 23 Uhr fünf Männer in den „Waller Biergarten“, eine kleine Kneipe an der Waller Heerstraße, gestürmt und hatten die Personalien aller Anwesenden aufgenommen und den Bremer Kurden Sait Bilgin fotografiert. Anschließend durchsuchten sie auch dessen direkt über der Kneipe liegende Wohnung, beschlagnahmten aber nichts, sondern fotografierten lediglich ausgiebig.

So jedenfalls erinnerte sich Sait Bilgin an den Vorfall, als er wenige Tage später einen Anwalt damit beauftragte, zu klären, ob und warum gegen ihn ermittelt werde. Der Anwalt schrieb am 29.4. einen Brief ans Polizeipräsidium und bekam die telefonische Auskunft, gegen Bilgin liege nichts vor, und von einer Durchsuchungsaktion sei der Kripo nichts bekannt.

Bilgin, der seit 1992 als anerkannter politischer Flüchtling in Bremen lebt, dachte schon, nie etwas über den dubiosen Vorfall erfahren zu können, als er Ende September sein Bild im „Focus“ entdeckte. Eingebettet in einen reißerischen Artikel über organisierte Kriminalität in Deutschland wurde er auch im Text namentlich als „gefürchteter PKK-Kassierer“ und „Schläger“ erwähnt, der „die Gewinne der Bremer Rauschgifthändler“ abschöpfe. „Nichts davon ist wahr“, versichert Bilgin, der aus Kurdistan fliehen mußte, weil er in seiner Heimat als oppositioneller Lehrer verfolgt worden war.

„Focus“ beruft sich in seinem Artikel auf Peter Voßmeyer, den Chef der Bremer Kripo-Abteilung für organisierte Kriminalität und behauptet, es gebe ein Ermittlungsverfahren „wegen räuberischer Erpressung“ gegen Bilgin und die Vorwürfe gingen auf „V-Mann-Erkenntnisse“ zurück. „Das ist alles falsch“, versichert Albert Lohse, Bremens stellvertretender Polizeipräsident. Die im „Focus“ zitierte allgemeine Äußerung von Kripo-Mann Voßmeyer über Schutzgelderpressung der PKK habe in keinerlei Zusammenhang mit der Person Sait Bilgin gestanden; ein Ermittlungsverfahren habe es in diesem Zusammenhang gegen den Kurden nie gegeben; und V-Leute seien in Bremer PKK-Kreisen nicht eingesetzt – weder von der Bremer Kripo noch vom BKA. Rechtliche Schritte gegen „Focus“ wolle er aber nicht einleiten, so Lohse, dafür sei der Artikel „zu geschickt formuliert“.

Wie schließlich das Foto in das Münchener Magazin kam, erklärt Lohse so: Im Februar hätten Focus-Leute die Bremer Drogenermittler bei Routinekontrollen begleitet, dabei sei in einer Steintor-Kneipe auch das Foto entstanden. Eine Polizeiaktion im Waller Biergarten habe es mit Focus-Beteiligung nie gegeben. Merkwürdig nur, daß das umstrittene Foto mit Bilgin und Kripo-Ermittler S. genau dort aufgenommen wurde (vgl. die beiden Abbildungen).

Eine Konsequenz aus dem nach wie vor dubiosen Vorfall hat Lohse allerdings bereits gezogen: „Journalisten nehmen wir bei Einsätzen grundsätzlich nicht mehr mit. Eine Anfrage des Spiegel habe ich gerade abgelehnt.“ Ase