Historische Museen Berlins in schwarzer Hand?

■ Die stadt- und kulturhistorischen Sammlungen sollen in einem Museumskomplex der Superlative geeint werden – doch schon knackt es im Gebälk

Die Berliner Museumslandschaft sieht Veränderungen von einzigartigem Ausmaß entgegen. Nicht nur die Stiftung Preußischer Kulturbesitz steht vor der Jahrhundertaufgabe, ihre größtenteils doppelt vorhandenen Häuser miteinander zu vereinen. Auch die Berliner stadt- und kulturhistorischen Sammlungen sollen ab dem kommendem Jahr in einen Museumskomplex der Superlative integriert werden. Rund ein Dutzend bisher unabhängiger Institutionen wären dann unter dem Dach des größten Heimatmuseums Deutschlands zusammengeführt.

Doch nun droht dieser Museumskomplex zum Spielball der großen Politik zu werden. Denn bevor diese Stiftung überhaupt gegründet worden ist, knackt es schon hörbar im Gebälk. Der Grund: die Besetzung des Postens eines Generaldirektors bzw. einer Generaldirektorin.

Um diese Generaldirektion zu besetzen, trat vor rund einem Monat eine von Kultursenator Roloff- Momin eingesetzte Jury zusammen, bestehend aus Winfried Fest, bekannt als Redenschreiber Eberhard Diepgens, Jürgen Bostelmann, Vorstandsvorsitzender der Grundkreditbank, Dieter Sauberzweig, Senator a.D., der Direktorin der (Ost-)Berliner Stadtbibliothek, Gabriele Beger, und dem Kunsthistoriker Eberhard Roters.

Sieben Bewerber standen zur Wahl, darunter renommierte Museumsfachleute aus Ost und West sowie zwei „Seiteneinsteiger“: Ulrike Kretschmar, bis dato Leiterin der Abteilung Museumsorganisation am Deutschen Historischen Museum, und Reiner Güntzer, seit nunmehr fast drei Jahrzehnten Referatsleiter für Museumsplanung beim Berliner Kultursenator. Eine Entscheidung war schnell getroffen, die Jury gab nur eine Empfehlung ab: Ulrike Kretschmar. Die übrigen Bewerber kamen nicht einmal auf die Vorschlagsliste.

Doch damit scheint sich Roloff- Momin nicht abfinden zu wollen. Er hat vorerst eine schriftliche Begründung angefordert, bei der die Jury-Mitglieder ihre Entscheidung noch einmal begründen sollten. Offenbar ist ihm die Art des Auswahlverfahrens, dessen Ergebnis der Senat noch nicht offiziell verkündet hat, sauer aufgestoßen.

Denn während einer dieser Jury-Sitzungen war Eberhard Roters unerwartet gestorben. Und Roters, so berichten Insider, habe sich vehement für Reiner Güntzer ausgesprochen und damit auch die Mehrheit der Jury zunächst auf seine Seite bringen können. Nach seinem dramatischen Tod sei es dann überraschend zu einer einstimmigen Entscheidung für Frau Kretschmar gekommen.

Dabei, wird kolportiert, sei der Eindruck entstanden, die Entscheidung habe von vornherein festgestanden. Angeblich war dem Favoriten von Roloff-Momin, Reiner Güntzer, bereits vor der entscheidenden Sitzung bedeutet worden, daß er keine Chance habe. Frau Kretschmar dagegen, rechte Hand des Kanzlerberaters und Direktors des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, gilt als Wunschkandidatin von Bundeskanzleramt und Regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen. Damit wären beide großen Historischen Museen in Berlin CDU-nah geführt. Und das kann dem parteilosen, mit der SPD sympathisierenden Roloff-Momin nicht recht sein.

Deutliche Vorbehalte gegenüber dem Wahlspruch der Jury hegen auch die Mitarbeiter besonders der ehemals östlichen stadthistorischen Sammlungen. Dort befürchtet man, daß Kretschmar, wie bei der Abwicklung des Ostberliner Historischen Museums im Zeughaus vorexerziert, mit Stellenstreichungen allzu rasch bei der Hand sein könnte.

Darüber hinaus habe Frau Kretschmar bei der Vorstellung ihres Konzeptes keine sonderlich überzeugende Figur abgegeben. Der Problemfall Jüdisches Museum, dem derzeit hinten und vorne die Mittel fehlen, sei beispielsweise bei ihrer Vorstellung überhaupt nicht zur Sprache gekommen.

So scheint im Fall Stiftung Stadtmuseum ein senatsinterner Streit vorprogrammiert. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein. Ulrich Clewing