Von weit her weweiherhherwech!

■ Robert Denhof, deutschstämmiger Komponist aus Kasachstan

Die Wohnung in der Huchtinger Neubausiedlung erzählt die Familiengeschichte vom Rußlanddeutschen Robert Denhof. Selbstverständlich hat er aus Kasachstan die russischen Teetassen mitgebracht. Seit der Musiker am Ende seiner langen Odysee durch verschiedene Sowjetische Republiken nach Bremen gekommen ist, sind fünf Jahre vergangen. Immer noch ist er leicht befremdet.

Robert Denhof, heute 50, ist in der SU als Pianist und Sänger ausgebildet, hat als Musikwissenschaftler und Komponist einen besonderen Bezug zu Deutschland. Denn sein Leben lang hat er sich mit der deutschen Musik beschäftigt. Trotz Verfolgung hat er deutsche Lieder komponiert. Mit einem Koffer voller Noten ist er hier angekommen. Was hier in seiner neuen Heimat auf ihn zukam, hat ihn dennoch verblüfft.

Die Erwartungen an Deutschland sind eng verbunden mit der Geschichte der Russlanddeutschen. Die deutsche Kultur war verboten: Kunst und Literatur, aber auch Alltagskultur wie Volkslieder und Kochrezepte. „Nicht ein Liederbuch war zu finden.“ Deshalb halten sie sich im fernen Sibirien und in Kasachstan nahe der chinesischen Grenze an alten Gesangbüchern fest.

Am besten zu bewahren und fast unzerstörbar, weil nahezu immaterial sind hingegen Melodien. Die trägt man im Kopf, kann sie summen. Robert Denhof ist dem typisch Deutschen von Anfang an in Volkslieder, klassisches Liedgut und Bach auf die Spur gekommen. „Bach, das ist für mich überhaupt die Grundlage der deutschen Musik“.

„Ich hab mich 30 Jahre nur für die deutsche Kultur geopfert. Manchmal kommen Freunde aus Russland und erinnern mich dran, daß ich die deutsche Kunst für das Allerhöchste gehalten habe. Das ist lange her.“

Wenn er heute Konzerte gibt, seine selbstkomponierten Lieder singt und sich dabei auf dem Klavier begleitet, dann steht das musikalische Programm für die Stationen seiner Odysee. Ukrainische, deutsch-sowjetische und russische Lieder reihen sich an die Klassiker von Mendelssohn-Bartholdy und Schubert. „Damit man hört, wo das alles herkommt.“

„Aber ich habe bei jeder Aufnahmeprüfung am Konservatorium die gleichen Ausreden zu hören bekommen, nur weil ich Deutscher bin.“ Er habe immer doppelt so gut sein müssen wie die russischen Mitbewerber.

Verblüffend für europäische Verhältnisse ist bei Robert Denhof nicht nur die Vielfältigkeit seiner Ausbildung von Gesang bis Orchesterleitung. Täglich bringt er ein hartes Arbeitspensum hinter sich, übt und komponiert in der kleinen Wohnung. Seit neuestem hilft ihm ein hochgerüsteter Musikcomputer, die Ideen anschaulich zu machen und produziert Democassetten.

Die Ratlosigkeit eines Personalchefs bei einem Musikhochschule in der Bundesrepublik kann man sich lebhaft vorstellen: „Das man mich hier nicht arbeiten läßt, ist ein Verbrechen. Der deutschen Kultur möchte ich etwas zurückgeben, das ist doch meine Pflicht diesem Land gegenüber.“ Die Tragik des Robert Denhof und vieler seiner ausgewanderten Landsleute liegt darin, daß sie immer noch das altertümliche Deutschlandbild im Kopf haben, mit dem ihre Eltern im letzten Jahrhundert nach Russland gekommen sind.

Den jetztigen Zustand seiner neuen Heimat findet Robert Denhof immer noch befremdlich. Im Alltag habe er sich hier sofort wie zu Hause gefühlt. Wie die Leute mit einander umgehen, das keiner auf den Boden spuckt und alles so gepflegt ist. Aber was die Musik angeht, ist er von den deutschen Verhältnissen befremdet. Der selbstbestimmte Unterricht an den deutschen Hochschulen mache aus Deutschland ein „künstlerisches Entwicklungsland“.

Und die Moderne, die zeitgenössischen Komponisten? Robert Denhoff ist enttäuscht. Zuletzt sei er bei einem modernen Konzert gewesen, dort hätte man auf einen Badewanne eingeschlagen, von deutscher Tradition keine Spur.

Susanne Raubold