: Radio Campus: ein wenig zu nett
■ Pressestelle macht Radio mit StudentInnen / Mit Klischees aufräumen
Da zuckt das Ohr zusammen. Knirschen und sphärische Klänge jaulen aus dem Lautsprecher. Im Studio von Radio Bremen verdreht die Cutterin die Augen. Der schrille O-Ton am Anfang eines Bandes muß auf ein HörerInnen-Verträgliches Maß gebracht werden. Die StudentInnen von „Campus-Radio“ sind keine Profis, da sind öfter Unreinheiten auf den eingelieferten Bändern, aber der öffentlich-rechtliche Sender will seine Sendequalität sichern. Noch immer gibt es viel zu verbessern. Doch immerhin gibt sich der zuständige Redakteur bei Radio Bremen, Harro Zimmermann, überrascht, „wie schnell ungeübte Studenten es schaffen, handwerklich guten Journalismus zu machen.“
Das gemeinsame Projekt der Uni-Pressestellen Oldenburg und Bremen in Kooperation mit Radio Bremen geht wöchentlich für 55 Minuten auf Sendung. Die zwölf StudentInnen der Uni Bremen treffen sich in unregelmäßigen Abständen zu Redaktionskonferenzen beim Pressesprecher Eberhard Scholz. In der Regel werden alle Vorschläge angenommen. Die letzte Instanz bleibt jedoch die Pressestelle. Als Christoph Wirth über den Brand an der Uni berichten wollte, wurde er zunächst zurückgehalten. „Das ist nur eine Frage der Information gewesen, denn die Schadstoffmessungen lagen noch nicht vor“, sagt der ehemalige Hörfunkjournalist Scholz. Letztendlich durfte er mit dem Beitrag noch am gleichen Tag anfangen.
Die meisten StudentInnen greifen auf journalistische Erfahrung, die sie bei ihrer jeweiligen Heimatzeitung erworben haben, zurück. Christoph Wirth studiert im siebten Semester Anglistik, Amerikanistik und Kulturwissenschaften. „Wir versuchen eine Mischung zu finden, damit nicht nur KulturwissenschaftlerInnen mitmachen“, sagt Scholz. Alle MitarbeiterInnen bieten ihre Themenvorschläge selbst an. Inzwischen ist der Job begehrt: Neben dem Spaß und der Ehre gibt's 100 bis 150 Mark pro Beitrag.
Auch in Oldenburg betreut ein ehemaliger Hörfunkjournalist, Andreas Wojak, das Projekt. Die Programmbeiträge der vier StudentInnen an der Uni Oldenburg seien ein „bißchen zufällig“, sagt er. Dem Konzept nach möchte man sowohl Nachrichten über die Uni verbreiten, wie zum Beispiel die Öffnungszeiten des Schwimmbads mitteilen, oder wann die psycho-onkologische Tagung beginnt, und auf die Veranstaltungs der katholischen Hochschulgemeinde zu Weltwirtschaftsfragen aufmerksam machen. Auf der anderen Seite stehen die längeren Berichte. Meist über soziale Probleme (Suchtprävention an der Uni, Freizeitangebot, Wegwerfgeschirr) und über die Forschungen an der Uni.
Erstaunlicherweise hat sich das Campus-Radio aus Hochschulpolitik bisher rausgehalten. „Bislang haben wir nichts gemacht, wo wir uns selber aus der Distanz sehen müßten“, stellt Wojak nüchtern fest. Die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen, sei ohnehin ein „mehrfacher Spagat“, findet Pressesprecher Scholz. Man wende sich schließlich an alle Hochschulangehörige. Und nicht nur an sie. Radio Bremens Harro Zimmermann wünscht sich natürlich auch HörerInnen ohne Hochschulanbindung. Dazu fehlt wohl noch der nötige Pfiff: „Es ist ein bißchen zu nett, zu sozial-kulturell-pflegerisch“, sagt er.
Offenbar hat sich der Mainstream geändert: Die StudentInnen von heute sind nicht mehr so revolutionär und kritisch wie früher, befand jüngst eine Untersuchung der studentischen Haus-Postillen. Elly Ahrens, Studentin an der Uni Oldenburg, sagt: „Ich würde gern die üblichen Klischees auflösen, vom langhaarigen und ökomäßigen Studenten, der immer nur in WG's lebt und auf Partys geht.“
Vivianne Schnurbusch
Radio Campus, jeden Mittwoch, 19.05 Uhr auf RB 2
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