: Schwierigkeiten auf dem Weg zum irischen Frieden
■ Geteilt oder gemeinsam? / Major und Reynolds über die Zukunft Irlands uneinig
Dublin (taz) – Das Dementi kam prompt: Am Sonntagmittag behauptete der stellvertretende Sinn-Féin-Vorsitzende Martin McGuinness, er habe im vergangenen März die persönliche Zusage eines Regierungssprechers erhalten, daß die britische Regierung sich für ein vereinigtes Irland einsetzen werde. „Kompletter Unsinn!“ konterte am Abend Nordirlandminister Patrick Mayhew: „Unsere Position ist bekannt: Wir glauben, daß es Sache der nordirischen Bevölkerung ist, über die Zukunft Nordirlands zu entscheiden.“
McGuinness war am Samstag zum erstenmal seit 20 Jahren nach London gereist, nachdem Premierminister John Major am Freitag das Einreiseverbot aufgehoben hatte. In einem BBC-Interview sagte McGuinness: „Ich glaube, daß sich die britische Regierung langsam, aber sicher aus Irland zurückzieht.“ Eine nordirische Versammlung mit eingeschränkter Entscheidungsgewalt unter Beteiligung der katholischen Bevölkerungsminderheit – die bevorzugte Lösung der Unionistischen Partei des James Molyneaux – lehnte McGuinness ab. „Falls er glaubt, daß die Sozialdemokratische Partei, die Dubliner Regierung und wir selbst Anfang nächsten Jahres Wahlen für eine solche Versammlung unterstützen, dann lebt er im Wolkenkuckucksheim“, sagte er. „Selbst die britische Regierung glaubt nicht daran. Sie hat eingestanden, daß es keine interne Lösung geben kann.“
Die Verhandlungen zwischen London und Dublin stecken jedoch offenbar in einer Sackgasse. Das erste anglo-irische Treffen seit dem Waffenstillstand der Irisch-Republikanischen Armee und der loyalistischen Organisationen, das gestern mittag auf Majors Landsitz in Chequers begann, wurde im Vorfeld als „entscheidend für den weiteren Verlauf des Friedensprozesses“ bezeichnet. Major und sein irischer Amtskollege Albert Reynolds versuchten jedoch, die Bedeutung herunterzuspielen, und sprachen lediglich von einer „Bestandsaufnahme“.
Die deutlichen Differenzen zwischen beiden Regierungen konnten bis Redaktionsschluß nicht ausgeräumt werden. Die wichtigsten Meinungsverschiedenheiten bestehen zum einen in der Frage der Waffenübergabe. Die irische Regierung will, daß dieser Punkt erst im Laufe der Allparteiengespräche angesprochen wird, während Major dafür einen früheren Zeitpunkt anvisiert. Zum anderen herrscht keine Einigkeit darüber, welche Vollmachten gesamtirischen Institutionen eingeräumt werden sollen. Dublin verlangt volle Exekutivgewalt, doch Major hält an der britischen Hoheit über Nordirland fest. Beide Seiten deuteten an, daß weitere Treffen notwendig sind, um den anglo-irischen Rahmenplan – die Diskussionsgrundlage für die Allparteiengespräche – auszuhandeln. Ralf Sotscheck
Seiten 8 und 10
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