: Produkt Hauptstadt wird verkauft
■ Mit einer Plakatkampagne hat die Gesellschaft „Partner für Berlin“ gestern begonnen, die Stadt zu vermarkten
Berlin ist ein Produkt, und die EinwohnerInnen der Stadt stellen es gemeinsam her. Leider nur wissen noch nicht alle, daß sie an dem Produktionsprozeß beteiligt sind. Auch auswärtige Investoren reißen sich nicht um die Ware „Berlin“, weshalb sie lieber keine Grundstücke an der Spree kaufen und ihre Fabriken und Büros woanders bauen. Beides soll sich bald ändern – dank der Imagekampagne, die die „Partner für Berlin – Gesellschaft für Hauptstadt Marketing mbH“ gestern begonnen hat.
Der Werbeanstrengung erster Teil soll in der Belegschaft des Unternehmens Berlin – 3,5 Millionen Beschäftigte – eine gemeinsame Identität schaffen. Auf großen Plakatwänden und in Zeitungsanzeigen posieren Gruppen von echten BerlinerInnen und bekennen sich zu ihrer Stadt. „Auch wenn viel geredet wird – wir sind mit Berlin im reinen“, leuchtet PassantInnen und LeserInnen in riesigen Lettern das Credo der Müllmänner entgegen. Die Boxer stehen dem nicht nach: „Wir schwingen keine Reden – wir kämpfen dafür.“ Optimismus sollen die Plakate symbolisieren, Aufbruchstimmung und Aufbauwillen. Es geht vorwärts, „Hauptstadt für Deutschland“ lautet das Ziel. Dies ist zugleich das Etikett, unter dem Berlin in Zukunft national und international vermarktet wird.
Nach der inneren Stärkung erfolgt der zweite Schritt des Marketings ab 1995. Dann locken die Berlin-Partner unter Geschäftsführer Wilhelm von Boddin fremde Unternehmen an die Spree, organisieren Tagungen, Kongresse und sind weltweit mit Werbematerial präsent. Ob die Anfang Oktober 1994 gegründeten Berlin-Partner und andere Unternehmen sich dabei in die Quere kommen, muß die Zeit erweisen. Die Abgrenzung wird jedenfalls schwierig, weil die Berliner Absatzorganisation, die Landesentwicklungsgesellschaft, die Wirtschaftsförderung sowie die Tourismus Marketing GmbH teilweise ähnliche Felder bearbeiten. Hervorgegangen sind die Berlin-Partner unter anderem aus der Berlin 2000 Marketing GmbH, die wiederum von der glücklosen Olympia GmbH abstammt.
Auf der Liste der partnerschaftlichen Gesellschafter finden sich ausschließlich Wirtschaftsunternehmen, darunter so klangvolle Namen wie Daimler, Lufthansa, Herlitz, Kaufhof, Ruhrgas und Veba. Diese Firmen sollen sich verpflichtet haben, jeweils 300.000 Mark pro Jahr für das Berlin-Marketing aufzubringen. Macht bei heute 27 Gesellschaftern runde acht Millionen. Der Senat hat bei der Werbefirma nichts zu sagen, spendiert aber trotzdem jeweils 13 Millionen in den beiden folgenden Jahren. Hannes Koch
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