Buddha glotzt TV

■ Die Medienbiennale Leipzig sucht in Installationen und Videos die Schnittstellen zwischen Ost und West

Wer die Kunst sucht, braucht in Leipzig gutes Schuhwerk. „Minima Media“ lautet zwar das Motto der 2. Medienbiennale, einen prägnanten Kontrast bildet aber mit 26.000 Quadratmeter Ausstellungsraum ein Maximum an Präsentationsfläche, über das bisher kein Medienkunstereignis der alten oder neuen Bundesländer verfügen konnte. Über 50 internationale Künstler zeigen in den Fabrikhallen der ehemaligen Buntgarnwerke Installationen, Performances und Videos. Gesucht wird dabei zwar die ästhetische Schnittstelle zwischen Ost und West; gesucht wird diesmal aber vor allem der Dialog zwischen historischen Arbeiten renommierter Videomacher (unter anderen Jochen Gerz, Bruce Nauman, Klaus vom Bruch) und jungen Künstlern, um die Ideen und Ansätze intermedialer Kunst der letzten 30 Jahre zu reflektieren.

Mutig ist, daß die Veranstalter trotz des Kampfs der Videokunst um öffentliche Anerkennung keine prominenten Künstler an exponierte Stelle rückten. Sie erscheinen vielmehr als Wegmarken in den Treppenaufgängen des Gebäudes. So zeigt auch Nam June Paik statt gigantischer Monitorwände eine Variation (1989) von „Zen for TV“ (1963), einen Buddha, der in ein ausgehöhltes altes TV-Gehäuse „glotzt“, worin eine Kerze brennt.

Dem korrespondieren Arbeiten jüngerer Künstler wie Anja Wieses „Gedicht(-Maschine)“ (1994) – 16 im Kreis aufgestellte, mit einer Bandschlaufe verbundene alte Tonbandgeräte, die einen rhythmischen Klangteppich erzeugen. Oder Dieter Kiesslings verblüffende Closed-circuit-Videoinstallation „o.T.“ (1994), die sich auf minimale Elemente reduziert: In einem dunklen Raum strahlt das Abbild einer Kerze eine wirkliche Kerze an und gibt so erst der Kamera Licht zur Aufnahme.

Ihrem Motto entsprechend beschränkt sich die Medienbiennale auch sonst auf Arbeiten ohne großes technisches Equipment und Objekte ganz ohne High-Tech wie Dellbrügge/de Molls hintersinnig- witzige „Video-Theorie“ (1994), die die Wechselbeziehung von Werk und Diskurs im Baukastensystem aus Pappe als geschlossenen Kreislauf visualisiert.

Neben einer Analyse von Funktion und Geschichte der neuen Medien findet ein Dialog mit Künstlern aus Osteuropa statt.

Dazu wurden arrivierte Vertreter wie Wojciech Bruszewski oder Jósef Robakowski (Polen), aber auch Alexandru Patatics (Rumänien) und Alexej Shulgin aus Moskau eingeladen, die erstmals im Westen ausstellen. Sie machen deutlich, wie schnell sich osteuropäische Künstler Video als ironisch-technisches Medium angeeignet haben.

Die Größe der Hallen birgt zwar die Gefahr, daß sich manche Objekte verlieren; andererseits erreicht das Zusammenspiel von Raum und Setting aber oft auch poetische Qualität wie in „Before the Kiss“ (1993) von Beban/Horvatic (Kroatien). Die Projektion vorgefertigen Materials auf eine riesige Leinwand und Aufnahmen vom Betrachter auf zwei anderen thematisiert intensiv An- und Abwesenheit, Reales und Imaginäres.

Als Medium, das die museale Präsentation erschwert, führt Videokunst ein beschränktes Leben im öffentlichen Raum.

Hier setzt das Konzept Dieter Daniels an, seit eineinhalb Jahren an der Hochschule für Grafik und Buchdruck Leipzig als Professor für Kunstgeschichte und Medientheorie tätig, dem die ehemalige Fabrik mit ihrem maroden Charme Gelegenheit bietet, diese mangelnde Präsenz offensiv zu beantworten.

So ist für die nächsten Jahre eine intensive Zusammenarbeit von Medienbiennale und Hochschule geplant, um den ökonomischen Standort Leipzig als Ort für moderne Kunst zu etablieren.

Diesmal konnte sie sich zwar gegen kommerzielle Interessen durchsetzen und das einzigartige Gebäude interimsmäßig nutzen. Ob das noch einmal gelingen wird, ist fraglich. Vorgesehen ist sein Umbau in ein Einkaufszentrum – da gibt es dann Schuhe, um die Kunst woanders zu suchen.

Sybille Weber

Bis 1. November in der Kunsthalle Elsterpark und den Fabrikhallen der ehemaligen VEB Buntgarnwerke, Leipzig. Geöffnet täglich von 12 bis 20 Uhr.