: Ein Westler wäre das falsche Signal
■ Marianne Birtler, Sprecherin des Bundesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen, kandidiert nicht erneut für das Amt
taz: Frau Birthler, die Grünen feiern mit ihrem Wiedereinzug in den Bundestag einen zweiten Frühling, derweil verlassen Sie den Posten der Vorstandssprecherin.
Birthler: Der Frühling, von dem Sie sprechen, stellt sich im Osten und im Westen unterschiedlich dar. Ich möchte meine Arbeitskraft in den nächsten Jahren auf den Osten konzentrieren, als Parteisprecherin wäre ich jedoch immer auch für das Ganze zuständig.
Die paritätische Präsenz des Ostens steht doch zur Disposition, wenn Sie Ihren Posten verlassen.
Das will ich nicht hoffen, das wäre ein sehr schlechtes Zeichen...
Pareiintern werden mit Jürgen Trittin und Krista Sager bereits zwei Westpolitiker für das Sprecheramt gehandelt.
Ursprünglich sah es so aus, als wären alle erfahrenen Leute aus dem Osten in Parlamenten vertreten. Die Situation ist ja nun eine andere. Deshalb sehe ich eine gute Möglichkeit, eine Person aus dem Osten in das Sprecheramt zu wählen. Gerade wegen der Schwäche der Partei im Osten wäre es das falsche Zeichen, jetzt zwei Westpolitiker zu Sprechern zu wählen.
Die beiden Namen legen nahe, daß die Posten nach Strömungsproporz vergeben werden.
Die Strömungen finden Sie auch im Osten, und die Partei ist gut beraten, die Strömungen an ihrer Spitze zu repräsentieren.
Sie ziehen sich von Ihrem Amt zurück, in der Fraktion ist das Bündnis 90 nur mit 5 Abgeordneten vertreten. Verliert der Osten Einfluß auf die Gesamtpartei?
Diese Gefahr besteht. Ich bin nachträglich sehr froh, daß wir seinerzeit bei der Vereinigung ein paar Sicherheiten vereinbart haben, die verhindern, daß die Ostdeutschen in der Wahrnehmung ganz verschwinden.
Muß das Bündnis wieder auf größere Distanz zu den Grünen gehen, um seine Wahrnehmbarkeit zu verbessern?
Unser Problem im Osten ist, daß wir hier für unsere wichtigsten Themen weniger Resonanz finden als im Westen. Wir haben nicht die Möglichkeit, uns auf einen zehnjährigen öffentlichen Diskurs über Ökologie und Bürgerrechte zu beziehen. Sich als Ostinteressenvertretung zu profilieren und sich vom Westteil der Partei abzusetzen, halte ich allerdings nicht für einen gangbaren Weg ...
Die PDS macht gerade vor, wie man mit einer Absetzung gegen den Westen erfolgreiche Politik betreibt.
Erfolgreich in der Wählerresonanz. Politisch ist dieser Weg nicht erfolgreich, weil wir zur Problemlösung sowohl die ost- wie die westdeutsche Kompetenz brauchen. Allerdings müssen wir stärker darauf abheben, daß die Wahrnehmung der Probleme im Osten und die Themen der Partei besser miteinander verbunden werden. Das hat in der letzten Zeit nicht richtig funktioniert.
Wollen Sie jetzt die Programmatik ändern, denn die ist ja anscheinend für die Menschen nicht sonderlich attraktiv?
Wenn etwas für Menschen nicht attraktiv ist, heißt das noch lange nicht, daß es falsch ist. Die Konsequenz ist nicht, daß wir uns von unserer Politik verabschieden, sondern verdeutlichen, daß die Situation auf dem Arbeitsmarkt auch unter ökologischen Gesichtspunkten gesehen werden muß. Das ist schwierig, aber es gibt dazu keine Alternative. Wir haben es mit einem Vermittlungsproblem zu tun, das braucht seine Zeit.
Das Tief von Bündnis 90 wird also noch einige Zeit anhalten?
Ich gehe davon aus, daß wir auch mittelfristig nicht so hohe Wahlergebnisse haben werden wie im Westen.
Auf welcher Position wollen Sie sich nun engagieren.
Das ist noch nicht entschieden.
Interview: Dieter Rulff
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