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„Jüdisches Leben ist vielfältiger“

■ Neuer Studiengang „Jüdische Studien“ an der Universität Potsdam

Berlin (taz) – Freudsche Fehlleistung: In der Pressemitteilung der Uni Potsdam, mit der sie zur Einweihung des neuen Studiengangs „Jüdische Studien“ am 2. November einlädt, wurde darauf hingewiesen, daß der neue Magisterstudiungang „mit Sicherheit zu den ,Exoten‘ im Studienangebot der Universität gehört“. Das verärgerte die Initiatoren des Studiengangs, der hierzulande erstmals angeboten wird. Denn als reines Exotentum wollen sie die „Jüdischen Studien“ gerade nicht verstanden wissen.

Auch die Judaistik, die einzige Disziplin, die sich bisher mit der jüdischen Religion beschäftigt, fristete bisher an deutschen Universitäten nur ein Dasein am Rande. Das interdisziplinäre Studium der „Jüdischen Studien/Jewish Studies“ ist dagegen der Versuch, „den Studiengang vom Rand ins Zentrum zu holen“. Professor Karl Erich Grötzinger, als Religionswissenschaftler verantwortlich für den neuen Studiengang, ist davon überzeugt, daß die ausschließliche Betrachtung der Religion nicht ausreicht: „Jüdisches Leben ist vielfältiger.“

Aus diesem Grund sind in Potsdam neben Religionswissenschaftlern unter anderem Historiker, Germanisten, Slawisten, Psychologen und Juristen in den neuen Studiengang integriert. Neben Sprach- und Lektürekursen in Hebräisch oder Jiddisch zählen beispielsweise die „Stereotypen und Mythen von Judenbildern“ zum Angebot, oder ein Forschungsseminar, das sich mit „Bürgerbewegungen gegen Fremdenhaß“ beschäftigt. Gleichzeitig beziehen die „Jüdischen Studien“ die Vielfalt jüdischen Kulturschaffens in ihr Angebot mit ein. „Deutsche Kultur“, so Grötzinger, „hat immer auch eine jüdische Komponente.“ Und so plädiert er beispielsweise dafür, bei der Interpretation des Werks von Franz Kafka auch einen Blick auf die Beeinflussung des Schriftstellers durch die Kabbalistik, die jüdische Mystik zu werfen.

Etwa 150 StudentInnen interessieren sich schon für die „Jüdischen Studien“, ein Dutzend von ihnen ist im Hauptfach eingeschrieben, die anderen nutzen das interdisziplinäre Angebot als Fort- und Weiterbildung.

HauptfachstudentInnen wird mit dem Magistergrad in „Jüdischen Studien“ wohl das gleiche Schicksal ereilen wie alle GeisteswissenschaftlerInnen. Ihre Berufsaussichten sind wohl kaum rosig. Professor Julius Schoeps, Mitinitiator des neuen Studiengangs, ist dennoch optimistisch. Was eine Absolventin der „Jüdischen Studien“ werden kann? „Na, zum Beispiel Journalistin bei der taz.“ flo

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