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Nachschlag

■ Diskussion über die „nationale Frage“ in der Humboldt-Uni

Neues von der east family: Eingeladen zum ersten öffentlichen Spiegel-Gespräch, erinnerten sich vor einem überfüllten Audimax der Humboldt-Universität die Redner der Demonstration am 4. November 1989 der Vergangenheit. Mischa Wolf: „Ich hatte damals das Gefühl großer Zusammengehörigkeit und wußte mich durchaus einig mit Jens Reich.“ Der nahm, melancholisch lächelnd, diese unverschämte Behauptung natürlich ohne Widerspruch an: „Hauptsache war, daß alles friedlich blieb, was auch besonnenen Kreisen in der Partei zu danken war.“

Und als sich der falsche Liberale Manfred Gerlach auch noch „mit Genugtuung“ an das Geschwätz von Pastor Schorlemmer erinnerte und Lothar Bisky Stefan Heym lobte (was diesem zu gönnen ist), da brachten endlich scharfe Nachfragen aus dem Westen diese ostdeutsche Harmoniebrühe etwas in Wallung. Ulrich Schwartz bohrte so intensiv nach, daß man sich ihn schon auf der damaligen Alex-Demo als Redner gewünscht hätte. Aber die westliche Kolonisierung kommt zu spät, und das meiste ist unwiderruflich verloren im Schmalztiegel penetranter ostelbischer Gutmütigkeit: „Frau Bohley, weshalb konnte die Bürgerbewegung ihre wichtigen Inhalte nicht besser an die Leute bringen?“ Ein freundliches, argloses Blinzeln in die Kamera, dann: „Ich, ähem, ach Jens, sag du doch mal was.“ Und der Jens sagte was, lang, tief, analytisch und absolut in seiner moderaten Schlafmützigkeit. Warum wirkt Moral immer so dämlich in Deutschland? Um so mopsfideler Gerlach, der Egon Bahr in dessen Schlußstrich-Forderung zustimmte und schließlich verkündete: „Nach fünf Jahren Zwietracht wird es endlich wieder Zeit, sich als Deutsche zu fühlen und deutsche Probleme zu lösen.“

Und während Mischa Wolf ungerührt log, schmeichelte und subtil drohte und Bisky seine Populismus-Parolen drechselte, dachte das Bärbelchen sicher daran, wie schön die Kirschen einst blühten, im Garten von Robert Havemann. Die Stärke der Vergangenheits-Verdränger hat nicht zuletzt ihren Grund in der Verschlafenheit ihrer Opponenten. „Wir müssen vernünftig werden und umkehren!“ orakelte der unselige Jens Reich, anstatt die Chance zu nutzen, die versammelte Mafia mit ihren PDS-Parolen und Rep-Mentalitäten einmal nach allen Regeln der Kunst vorzuführen. Daß man so das Klischee vom guten, aber letztlich etwas vertrottelten Bürgerrechtler nährt, schien er nicht zu bemerken. Und Mischa Wolf schmunzelte. Marko Martin

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