"Elfenbeinturm - nein danke!"

■ Heute startet das ZDF die Reihe "Top-Spione". Arne Fohlin sprach mit dem Leiter der Redaktion Zeitgeschichte, Guido Knopp, über die Schwierigkeit, deutsche Geschichte fernsehtauglich zu erzählen.

Der Mann, der so salopp gekleidet zum Gespräch erscheint und eher den Eindruck erweckt, als komme er just aus der Toskana gereist, alten Zeiten nachhängend, als man mit dem Saarländer Troikaner bei edelstem Frascati über den Zusammenhang von Melancholie und Weltgefühl sann, dieser Mann ist – streng personalisiert – das Aushängeschild des ZDF. Guido Knopp heißt er, Jahrgang 1948, geboren im hessischen Treysa. Die DDR-Staatsgrenze war ihm zur Schulzeit wie für die meisten BRD-Leute die Zonengrenze. Knopp leitet seit gut zehn Jahren ein kleines Team, das bei der Kostenstelle schlicht unter „ZDF-Redaktion Zeitgeschichte“ firmiert.

Von heute an ist einmal mehr die Arbeit des journalistisch wirkenden Historikers zu begutachten. In diesem Jahr heißt das Glanzstück der Arbeit, die über jeden Zweifel erhaben scheint, öffentlich-rechtliche Gelder für puren Schmock à la Gaudimax zu verpulvern, „Top-Spione – Verräter im geheimen Krieg“. In sechs Folgen wird den Lebenswegen von sechs Agenten nachgegangen, die mehr oder weniger dazu beigetragen haben, daß das Gleichgewicht des Schreckens zwischen dem sowjetischen und dem US-amerikanischen Blick nicht allzusehr aus der Balance geriet.

Begonnen wird heute abend mit einem Porträt des Atomspions Klaus Fuchs, dessen Agententätigkeit dafür sorgte, daß die USA nicht im alleinigen Besitz der Atombombe bleiben sollten. Ein anderer Teil widmet sich der Arbeit des Kanzleramtsmitarbeiters Günter Guillaume, dessen Enttarnung zur Demission Bundeskanzler Willy Brandts im Jahre 1974 führte. Dabei wollen Knopp und seine Mitarbeiter keine Abrechnung exekutieren. Einseitig schmutzige Wäsche zu waschen sei nicht ihr Stil, sagt Knopp, ihm gehe es nur darum, die Fakten nochmals aufzurollen – und wenn möglich die Betroffenen aus heutiger Sicht zu Wort kommen zu lassen.

Um diese ambitionierte Arbeit schaffen zu können, fuhren die Teams der Redaktion sogar in ein amerikanisches Gefängnis, wo John Walker einsitzt, der zwanzig Jahre Dechiffriercodes der US-Militärs an den KGB aus keineswegs ideellen Gründen verkaufte. Knopp: „Die Recherche ist gelegentlich mühsam. Tatsache aber ist, daß momentan alle Wege nach Moskau führen – dort sind die Archive voll.“

Der Westen hat den Kalten Krieg gewonnen. Guido Knopp will diesen Umstand keineswegs so würdigen, daß am Ende dabei triumphierende Sendungen herauskommen. „Uns ist es darum zu tun, die Leute zu zeigen, die in diesen Situationen eine Rolle spielten.“ Menschliches Fazit: „Spionage lohnt sich immer für den Staat, für die Spionie nie.“

Im übrigen, so Knopp, sei es schon so, daß seine Sendungen (unter anderem „Der letzte Akt“ aus dem Jahre 1985 über die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges; oder auch die „Damals“-Beiträge im Nachmittagsprogramm des ZDF) stets daran gemessen werden, daß sie mehr Leute verstehen können als nur die wenigen Historiker, die eh nur fachsimpeln ohne Rücksicht auf Vermittelbarkeit (Stichwort: „Historikerstreit“). Und das hat zur Folge, daß Knopps Arbeit bisweilen von Kollegen nicht akzeptiert wird. Der ZDF- Zeitgeschichte-Chef ist selbst Historiker, hat bei der FAZ und der Welt am Sonntag jeweils in den Auslandsredaktionen gearbeitet. „Wir müssen uns daran messen lassen, daß man uns versteht. Elfenbeinturm – nein danke.“

Unvermeidlich zu fragen – bei der journalistischen Vita – ist, ob sich Knopp mit den neuen Diskussionen um fehlendes Nationalbewußtsein, um Verwestlichung des Lebensstils und um sonstige Versatzstücke aus den Arsenalen der Neuen Rechten anfreunden kann, beispielsweise mit den Invektiven eines Rainer Zitelmann: „O nein“, wehrt Knopp ab, „ich würde mich selbst als liberal-konservativ bezeichnen.“ Aber immer als westlich orientiert, als Demokrat, als Bürger der Bundesrepublik, die nicht umsonst als eine Erfolgsgeschichte begriffen werden muß. „Nach Sonderwegen ist mir nicht zumute, nach Militärischem natürlich auch nicht. Alles sehr suspekt.“

Was das Nationale anbetrifft, gibt sich Knopp pragmatisch: „Patriotisch ist man doch ganz automatisch. Man jubelt mit der Fußballnationalmannschaft oder mit Boris Becker. Meinetwegen kann man auch die Nationalhymne singen. Aber Deutschland ist mir, was den Franzosen Frankreich – Heimat, nicht mehr.“

Für das kommende Jahr bereitet die Crew eine Serie zum 50.Jahrestag der Nazi-Kapitulation vor, in der mit bisher reichlich unbekanntem Filmmaterial das Unfaßbare faßbar gemacht werden soll. „Hitler“ heißt sie lapidar. Daß Knopp & Co. allein schon der Geld- und Archivmittel wegen gute Möglichkeiten haben, sich von der privaten TV-Konkurrenz positiv abzusetzen, muß nicht erwähnt werden – es sollte sich von selbst verstehen.

Knopp wurde vor einigen Jahren die gleiche Serie zum 100.Geburtstag Hitlers angetragen. Er lehnte jedoch ab: „Ich wüßte nicht, weshalb man den Geburtstag des größten Verbrechers, den Deutschland je hervorgebracht hat, würdigen sollte, in welcher Form auch immer.“ Der 50. Jahrestag des Weltkriegsendes eignet sich da schon besser: „Natürlich war es eine Befreiung vom Faschismus, aber subjektiv wurde der Tag schon als Kapitulation wahrgenommen.“ Dies filmisch präzise zu würdigen wäre schon verdienstvoll.

Der Erfolg gibt dem Team nicht nur recht, sondern von 1995 an auch die doppelte Sendezeit. Man darf es als Erfolg verbuchen, daß das ZDF sich zumindest an diesem Punkt nicht von den Privaten kleinkriegen läßt. Fernsehen hat für die Mainzer offenbar immer noch etwas mit visueller Information zu tun.

„Top-Spione, Verräter im Geheimen Krieg“, jeweils sonntags um 22 Uhr im ZDF: 6.11.: Der Atomspion; 13.11.: Der Doppelagent; 20.11.: Der Dealer; 27.11.: Der Kanzlerspion; 4.12.: Der Maulwurf; 11.12.: Der Überläufer