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Walter Momper aus Ruinen auferstanden

■ Ex-Regierungschef kündigt seine SPD-Spitzenkandidatur an / Geschickte Inszenierung mit reumütiger Fehlersuche

Der Mann trat auf, als sei das Rennen gegen seine innerparteiliche Konkurrentin Ingrid Stahmer schon längst entschieden. „Wie Sie wissen, ich heiße Walter Momper und will Regierender Bürgermeister von Berlin werden.“ Mit diesem denkbar knappen Statement leitete der 49jährige gestern sein Comeback ein. Tagelang hatte Momper mit der Öffentlichkeit Katz und Maus gespielt und durch wohlüberlegte Indiskretionen seine Ambitionen auf eine Spitzenkandidatur hinausposaunen lassen. Die Medien reagierten auf ihre Weise: Mit einem Massenauflauf an Journalisten, Kameraleuten und Fotografen, der schließlich den Umzug in einen größeren Saal des Abgeordnetenhauses erforderte. Mompers auf Bonn gemünzter Satz umschrieb trefflich den Auftritt des Wiederauferstandenen: Berlin müsse künftig seine Interessen „selbstbewußt, ohne Weinerlichkeit und ohne Großmäuligkeit“ vertreten, „Leisetreterei“ sei „fehl am Platze“.

Der mit allen Wassern gewaschene Politprofi, der 1989/90 den rot-grünen Senat angeführt hatte und nach seinem Rücktritt als Landesvorsitzender 1992 in die Baubranche abgetaucht war und dort zunächst auch bleiben will, erteilte seinen Genossen gestern eine Lektion in Sachen „Public Image“. Reumütig bekannte er sich zu früheren Fehlern, verteilte Lob und Streicheleinheiten nach allen Seiten hin. Er und Ex-Landes- und -Fraktionschef Ditmar Staffelt hätten ihren „wechselseitigen Groll“ in einem Telefongespräch beigelegt, mit der Sozialsenatorin Stahmer hoffe er auf einen „fairen Wettstreit“, Detlef Dzembritzkis Kandidatur für den Landesvorsitz signalisierte er seine Unterstützung und mit dem voraussichtlich neuen Fraktionschef Klaus Böger setze er auf gute Zusammenarbeit. Eine Troika Momper, Böger, Dzembritzki könne den „Karren gut vorwärtsbringen“.

Auch gegenüber dem Koalitionspartner zückte er die diplomatische Karte: Es gebe keinen Grund, die CDU „zu verteufeln“, insbesondere dann nicht, wenn der Senat wie etwa bei der Lohnangleichung oder der Länderfusion „sozialdemokratische Politik macht“. Es sei eben nur schade, daß Eberhard Diepgen in seiner Partei damit auf Schwierigkeiten stoße, hatte er sogar noch einen Trost für den Regierenden Bürgermeister parat. Andererseits: Die Große Koaltion sei „kein politisch erstrebenswertes Ziel“.

Ob er denn noch zu seiner 1990 getroffenen Aussage stehe, Rot- Grün sei ein Auslaufmodell? Damals habe die Analyse gestimmt, alles weitere werde die Zukunft zeigen. Festlegen mochte sich der Ex-Regierungschef nur in einem Punkt: Mit oder durch die PDS werde es „keine Koalition, keine Duldung und keine Zusammenarbeit“ geben. „Lieber einen roten Schal als rote Socken“, so sein Wahlslogan. Mompers programmatischer Anspruch, mit dem er in den nächsten Wochen an der Basis um Unterstützung für die Urwahl am 5. Februar 1995 wirbt, ähnelte einer Regierungserklärung: Von neuen Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich über bezahlbare Wohnungen bis zur Metropole, die sich in die europäische Diskussion einschalten müsse, war da die Rede. Selbst das Thema Innere Sicherheit wurde nicht ausgespart und der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität statt der Jagd auf Hütchenspieler und Bettler eingeklagt. Zum Schluß legte Momper für einen kurzen Augenblick den Schal um. Die Fotografen dankten ihm mit einem Blitzgewitter. Severin Weiland

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