: Art Cologne '94 – die 27. Lieferung
Reibereien gehören seit Beuysens Boykott zur Geschichte der Kölner Kunstmesse, recht leidenschaftslos und hausgemacht aber ist diesjahr der Skandal. Die als Gegenveranstaltung gestartete „Unfair“ wird nach zwei Jahren Eigenbrödelei mit der offiziellen Messeleitung kooperieren, um die seit dem drohenden Regierungsumzug etwas ziellos vor sich hinkriselnde Kölner Szene „wieder zu bündeln“, so Christian Nagels Galeristenwort zum Kurz-vor- Schluß-Verkauf. Man will sich wieder andocken, auch kaufmännisch. Die 35 beteiligten Galerien um Nagel, Tanja Grunert, Michael Janssen und die Künstlerin Heike Kempken haben sich en bloc vom Bundesverband übernehmen lassen, „kraft besserer Einsicht, daß Integration den eigenen Interessen dienlicher ist als das Ausscheren auf einen Sonderweg“. Damit treten sich nun 320 Kunstanbieter statt zuletzt knapp 300 in den Rheinhallen gegenseitig auf die Füße. Nur einige interessantere amerikanische Galerien sind abgesprungen.
Im Musikgeschäft sind solcherlei Deals mit dem Mainstream seit Nirvana üblich. Dort wird jede Band, die halbwegs eine Gitarre bedienen kann, von der Industrie als Zukunft des Rock hofiert. Zeitgenossenschaft soll ätzen, und für den Jeans-Sound auf MTV reicht es dabei allemal – als „Positionen der neunziger Jahre“ (Nagel) ist die späte Grungephilosophie der bildenden Kunst ein bißchen dünn.
Waren im vergangenen Jahr noch Damien Hirsts Haie, Kühe und Schädel weiträumig als schockendes Szenario mit einer Sonderausstellung ins Zentrum der eher lahmen Schau gestellt worden, bleibt dieses Mal alles Vage Mittelmaß. Förderkojen wurden wie Freikarten für zweitrangige Techno- Events verteilt, während man die dazugehörige Kunst und ihren „Hang zum Bewußtseinsmüll“ im Programmheft vorneweg schon geringschätzt. Die Schlaf-Nischen von Carsten Höller sind dem Genießer einer durchwachsenen Moderne ebenso entbehrlich wie die dekorativer gearbeiteten Foto-Kack-Porträts von Gilbert & George (Foto), mit denen die Jablonka Galerie in einer Ausstellung parallel zur Messe den Trend zu sozial-investigativer Beziehungsverkunstung im Museum ausbremsen will.
Auch den Newcomern sind solcherart „talking pictures“ suspekt: Stephan Baumkötter darf für eine Münchener Galerie minimalistische Farbfeldchen malen, Ingo Meller sucht in Frankfurt nach den Spuren des abstrakten Expressionismus, Markus Döbeli macht in Hard Edge, und Rémy Markowitsch spielt mit Gentechnologie herum. Das alles ist dieses Jahr Förderware und unterscheidet sich kaum vom figurativ oder gestisch gepinselten Rest. Echt unfair gebliebene Kunst soll man übrigens nächstes Frühjahr wieder sehen können: in einem Hotel in San Francisco. Harald Fricke
Bis 16. 11., Rheinhallen Köln.
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