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Schwarze Zukunft für die Grünen

■ Nach 50 Jahren SPD-Alleinherrschaft wird die Revierstadt Mülheim schwarz-grün regiert

Mülheim (taz) – Schwarz-grüne Koalitionen werden hoffähig, zumindest in den Kommunen Nordrhein-Westfalens. In Mülheim an der Ruhr entschied sich der Kreisverband der Grünen am Montag abend mit 44 gegen 16 Stimmen für ein Bündnis mit der CDU. Damit wird erstmals eine kreisfreie Stadt in Deutschland künftig von CDU und Bündnisgrünen regiert. Neben der 178.000 Einwohner zählenden Revierstadt gibt es inzwischen in zehn nordrhein-westfälischen Städten, Kreisen und Gemeinden schwarz-grüne Koalitionen.

Daß es soweit kommen würde, hätte Dirk Fittinghov, langjähriger Kämpfer für ein autonomes Kulturzentrum in Mülheim, bis vor kurzem für unmöglich gehalten. Der neue Pakt tut der linken Seele weh, aber mit der SPD, „die mich seit Jahren gedemütigt hat“, so Fittinghov, ging es erst recht nicht. Zu frisch sind die Wunden, die die seit Ende des Krieges allein herrschende SPD den Grünen geschlagen hat. „Sie haben uns jahrelang ausgegrenzt und verhöhnt“, klagte eine ehemalige grüne Ratsfrau am Montag. Da halfen auch alle Warnungen vor dem „dramatischen Kurswechsel“ im Hinblick auf die Landtagswahlen im Mai nächsten Jahres nichts. Brigitte Schumann, bündnisgrüne Landtagsabgeordnete aus Mülheim, warb inständig dafür, Rot-Grün mit diesem neuen Bündnis „nicht in Verruf zu bringen“.

Vergleicht man die ausgehandelten Papiere, dann, so räumt der grüne Fraktionsgeschäftsführer Peter Holderberg freimütig ein, hätte man eigentlich mit der SPD anbändeln müssen. Doch „der immense Glaubwürdigkeitsvorbehalt“ stehe dagegen. Selbst die Warnung, die Partei komme „in den Geruch einer grünen FDP“, verfängt in Mülheim nicht mehr.

Möglich wurde die neue Beziehung, die bei der Ratssitzung morgen besiegelt werden soll, durch das Wahlvolk. Mit knapp zehn Prozent Stimmenentzug wurde die SPD für ihre lokalen Affären bestraft. Die Grünen erhielten fast 15 Prozent, und die CDU gewann knapp 9 Prozent hinzu.

Anders als in Gladbeck, wo die Realos bei den Bündnisgrünen den Ton angeben, zählt Mülheim zu den „linken Hochburgen“. Daß ausgerechnet diese Linken mit Hans-Georg Specht einen CDU-Mann zum Oberbürgermeister wählen wollen, der nach den Worten von Schumann „rassistisch denkt“, schien zunächst ausgeschlossen. Gut möglich, daß der Rassismus-Vorwurf zuweit geht, aber ein konservativer Hardliner war Specht bisher auf jeden Fall. Doch der „dicke Brocken“, so Holderberg, der den Schwarz-Grün-Befürwortern „gräßliche Bauchschmerzen bereitet“, muß morgen geschluckt werden. Wer Schluckbeschwerden fürchtet, so eine Empfehlung am Montag, möge zur SPD- Bank schauen: „Was ist denn eine Kröte im Vergleich zu den vielen Kröten, die wir da zu schlucken hätten?“ Walter Jakobs

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