: Es ist paradox, aber für Clinton hat die Niederlage in den US-Wahlen auch ein Gutes: Die Republikaner stehen jetzt in der Pflicht und müssen sich daran messen lassen. Eigentliche Verliererin ist die demokratische Linke. Aus Washington Andrea Böhm
Der Sieg der christlichen Koalition
An alles hatten seine Wahlkampfhelfer gedacht. Sogar an ein breiteres Rednerpult in der Fernsehdebatte, damit seine mittlerweile imposante Leibesfülle nicht so sehr auffällt. Es hat genutzt. Optisch verschlankt und sichtlich vergnügt, verkündete Ted Kennedy am Dienstag abend seinen Sieg gegen den republikanischen Herausforderer Mitt Romney und versprach Kampfeslust für seine sechste Amtszeit als US-Senator.
Damit hatten sich die guten Nachrichten für die „Demokraten“ an diesem Abend auch schon fast erschöpft.
Gewiß, da waren noch die Siege der SenatorInnen Chuck Robb in Virginia und Dianne Feinstein in Kalifornien. Doch allein der Umstand, daß deren Gegenkandidaten Oliver North sowie Michael Huffington überhaupt zu ernstzunehmenden Gegnern geworden waren, stimmte schon bedenklich. Am Gesamtergebnis änderten die Ergebnisse in Virginia und Kalifornien ohnehin nichts: Bill Clinton wird, zumindest für die nächsten beiden Jahre, mit einer Mehrheit der Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus konfrontiert sein. Und die hatten diese Kongreßwahlen zum „Mißtrauensantrag“ gegen den Präsidenten deklariert. Der Antrag wurde angenommen.
Doch der Verlust der demokratischen Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses könnte für Bill Clinton auch ein Positives mitbringen. Denn mit den neuen Mehrheitsverhältnissen stehen die Republikaner, für die Öffentlichkeit weithin sichtbar, in der politischen Verantwortung. Sollten sie die Obstruktionspolitik der letzten beiden Jahre gegen die Clinton- Administration fortsetzen, so könnte dies schnell zum Bumerang für die Präsidentschaftswahlen 1996 werden.
Auf der anderen Seite dürfte es ihnen schwerfallen, ihrer Wahlkampfrhetorik von Steuersenkungen, erhöhten Rüstungsausgaben (bei gleichzeitiger Defizitsenkung) Taten folgen zu lassen. Newt Gingrich, zukünftiger Vorsitzender des Repräsentantenhauses und der Hauptstratege dieses konfrontativen und häufig vulgären Wahlkampfes (siehe untenstehenden Artikel), gab sich nach dem Erdrutschsieg seiner Partei denn auch gleich staatmännisch und reichte sowohl dem Präsidenten als auch der demokratischen Minderheit die Hand zur Kooperation – höchst ungewöhnliche Töne aus seinem Mund.
Der ganz große Verlierer dieser Wahl ist eindeutig der linksliberale Flügel der „Demokratischen Partei“. Man mußte in der Wahlnacht nur das Gesicht Jesse Jacksons in einer Fernsehdiskussion sehen, um das Ausmaß der Enttäuschung und Verbitterung zu ahnen.
Eher widerwillig hatte Jesse Jackson im Wahlkampf noch versucht, afroamerikanische WählerInnen zur Stimmabgabe für die demokratischen KandidatInnen zu mobilisieren – obwohl auch viele von diesen in das antistaatliche und antiliberale Credo einstimmten und Steuersenkungen, Abbau von Sozialprogrammen und Ausbau von Gefängnissen forderten – eine Programmatik, die viele AfroamerikanerInnen als eine explizite Kampfansage und als krassen Mißbrauch der öffentlichen Diskussion um Gewalt und Armut in ihren eigenen communities verstehen.
Jacksons Ambitionen, 1996 möglicherweise mit einer eigenen Koalition oder Partei zu den Präsidentschaftswahlen anzutreten, dürften seit dem letzten Dienstag gewachsen sein.
Der ganz große Gewinner dieser Wahl ist eindeutig die christliche Rechte. Ihr Einfluß ist nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch im Kongreß deutlich gewachsen.
Was vor zwei Jahren mit dem Etikett „extremistisch“ versehen wurde, hat nun unter dem Motto „Anti Staat, anti Steuern und proFamilie“ Eingang in den politischen Mainstream gefunden. Entsprechend vergnügt zeigte sich in der besagten Fernsehdiskussion Ralph Reed, Direktor der einflußreichen „Christian Coalition“, die zahlreiche republikanische KandidatInnen unterstützt hatte. Erfolge konnte Reed selbst im traditionell liberalen Minnesota verzeichnen, für das der christlich-konservative Republikaner Rod Grams in den Senat einziehen wird.
„Wer uns vor zwei Jahren totgesagt oder die Spaltung der Republikanischen Partei vorausgesagt hat“, erklärte Reed, „der hat sich schwer geirrt.“
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