Durchs Dröhnland
: Faltige Stimme

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Die Konzertwoche beginnt mit dem perfekten Abend für den politisch durchdacht Tanzenden. Über Chumbawamba, unsere Hausbesetzerfreunde aus Leeds, muß man kaum mehr sagen, als daß sie immer noch unangefochten am intelligentesten schmackige Rave-Beats und Ohrwurm-Melodien mit politisch korrekten Texten verbinden, ohne all die stumpfen Vorurteile zu bedienen, die heutzutage modischerweise gegen p.c. vorgebracht werden. Mit dabei Consolidated, jenes multikulturelle Trio aus San Francisco, das seine Konzerte gerne zu Podiumsdiskussionen umfunktioniert, aber meist einen böse rumpelnden HipHop spielt. Einheiztechnisch werden Saprize, neue Metal-HipHop- Sensation aus Bremen, für die passende Betriebstemperatur sorgen. Fazit: Die Revolution wird tanzbar sein oder sie wird nicht sein.

Am 11.11. um 21 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Ehrlichkeit ist eine Zier: An Jumblefood überrascht vor allem, wie exakt sie selbst ihre Musik einordnen. „Zwischen Jingo de Lunch und Living Colour“ könnte kaum treffender sein, vor allem weil Sängerin Brabella fast genau die obskure Modulation von Yvonne Ducksworth trifft. Klasse Stinkemetal machen Jumblefood auf jeden Fall, auch wenn Gitarrist Muckl noch die eine oder andere technische Fertigkeit fehlt, um seinem Vorbild Vernon Reid gerecht zu werden.

Am 12.11. um 22 Uhr im Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170

Die Legende sagt, daß die Cows ihre ersten Auftritte in einem Heim für behinderte Kinder gemacht hätten. Ihr Gitarrist heißt Thor Eisenträger. Ihre Musik ist groß, eine nie gehörte Mischung aus wildem Punkrock mit jazzigen Breaks und endlosen, fiesen Gitarrenschleifen. Doch einen Fehler haben sie gemacht und die (gesamplete?) Trompete abgeschafft. Das fehlt dem wild pulsierenden Delirium nun in der Krone. Mit diesem Blasinstrument waren die Cows absolut grandiose Spinner, jetzt sind sie nur mehr ziemlich gute Spinner.

Am 12.11. mit Hammerhead (USA) und Party Dictator (Bremen) um 23 Uhr im Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Gut in das grassierende Blues-Revival paßt auch die Rückkehr von Savoy Brown. Hier kann sich jeder per Geschichtsstunde versichern, daß von den Sechzigern nicht nur Eric Clapton übriggeblieben ist, sondern auch Kim Simmonds noch seinen solide und unaufregend stompenden Brit-Bluesrock röhren kann.

Am 12.11. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Kann man vom Mod und Popsozialisten zum Elder statesman mutieren, ohne dabei ganz uralt auszusehen? Paul Weller glaubt fest daran, seit er The Jam aufgelöst hat, um mit dem Style Council zum Cappuccino Kid zu werden. Der Sprung war der von der politisch integren Kultfigur zur Kunstfigur, die versuchte, mit den Mechanismen des Pop zu spielen. Das gelang dem Style Council allerdings so überzeugend, daß sich bald entsprechender Erfolg einstellte. Auch das Style Council existiert nicht mehr, und Wellers schon immer recht belegter Stimme merkt man die Falten deutlich an. Immer noch lotet Paule sein Verhältnis zum Soul aus. Er kann ihn spielen, kann ihn singen, aber recht zu verstehen scheint er ihn nicht. Sein Platz bleibt das Caféhaustischchen.

Am 13.11. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

Dieser Mann hat einen Sprung in der Schüssel, einen ganz großen. Sein Name ist Joseph Smalkowski, er ist Mitte fünfzig, hat halblange, graue Haare, nennt sich Copernicus und hält sich für einen Philosophen und Propheten: „Als ein Teil des Suchens reiste Copernicus 1988 für 12 Tage nach Ägypten. In Ägypten wurde ihm klar, daß die gesamte christliche Erziehung seiner Kindheit ursprünglich aus dem alten Ägypten kam. Er befand sich in den Armen der Mutter des westlichen Denkens. Amon Ra, Osiris und Isis [... noch mehr Namen] waren immer noch am Leben, sprachen zu ihm, führten ihn ein und gaben ihm die Kraft, spontan diesen Text nonstop in 11 Minuten mit 18 delirierenden Musikanten zu verfassen.“ So hört's sich auch an.

Am 13.11. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg, und am 14.11. um 21 Uhr im Waldschloß, Stahnsdorfer Straße 100, Potsdam

So kann's gehen: Da erspielt man sich in mehr als zehn Jahren einen Status, der einem zwar nur mittelgroße, aber immerhin ausverkaufte Hallen sichert, und dann löst sich die Band auf und man muß wieder in den kleinen Klitschen anfangen. So geschah es auch Richard Butler, vormals Sänger und Songschreiber der Psychedelic Furs, auch wenn die Plattenfirma die neue Band Love Spit Love als bewußtes Abwenden von eingefahrenen Gleisen verkauft. Alte Furs-Fans werden weiterhin von Butler gut bedient, weil der immer noch seine New-Wave- Hymnen kann, aber müssen mit den Versuchen des Meisters, zeitgemäßer klingen zu wollen, wohl klarkommen.

Am 15.11. um 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Traveling Microbus sind aus Köln, der Stadt, in der Spex erscheint. Also entdeckte das Pop-Zentralorgan in dem Quintett prompt den deutschen Versuch, die Verzögerung der Palace Brothers oder von Souled American für deutsche Verhältnisse zu entdecken. Für mich hören sich Traveling Microbus einfach nach einer Folkrockband an, einer sehr, sehr guten, vielleicht der besten hierzulande, die mal romantisch, mal flott, sehr erfolgreich amerikanischen Vorbildern nacheifert. Aber einen europäischen Umgang mit überseeischen Mythen im Stile von F.S.K. pflegt man nicht in diesem Reisebus.

Am 17.11. um 21 Uhr mit X-Tal im Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Neukölln Thomas Winkler